
Heute ist wieder einer dieser besonderen Tage unserer Segelreise dem wir schon lange entgegenfiebern: unser Transit durch den Panama Kanal.
Gestern haben wir noch einmal bei der Kanal Behörde angerufen und uns unseren Transit Termin bestätigen lassen. „Alles OK“, war die Antwort, wir sollten uns am Samstag gegen Mittag am Ankerplatz F, auch „The Flats“ genannt, einfinden, um gegen 16:00 Uhr unseren Advisor an Bord zu nehmen. Klasse, hat ja alles super geklappt – auch ohne teuren Agenten (hierzu bald ein weiterer Eintrag) – wir freuen uns wie die Schneekönige! Jetzt noch schnell ein letztes Mal mit dem Marina Bus nach Colon um bei der „Capitaneria“ gleich via Balboa und Islas Perlas zu den Marquesas Inseln auszuklarieren. Anschließend noch ein kurzer Abstecher zum „El Rey“ Supermarkt, ein paar letzte Kleinigkeiten besorgen, die wir plötzlich, unbedingt und ganz dringend noch benötigen. Ist es nur unsere Einbildung oder müssen wir immer länger an den Gatun Schleusen des Panama Kanal warten? Heute dauert es wieder eine gute Stunde bis ein Tanker und zwei große Containerschiffe der Panamax Klasse durch sind. Dabei fällt mir, nach gut 14 Tagen, zum ersten Mal ein lustiges Detail auf: um die riesigen Containerschiffe an den Lokomotiven zu vertäuen, die sie durch die Schleusen ziehen, rudert ihnen ein winziges Boot mit
zwei Mann an Bord entgegen, dem sie die Leinen zuwerfen. Die Leinen im Schlepptau wird dann zu den Lokomotiven zurückgerudert was die Arme hergeben, schaut irgendwie anachronistisch aus, in unserer heutigen so technologisierten Welt. Nachmittags wird die Pacific High noch einmal von oben bis unten geschrubbt und gereinigt, sowie die Motoren und Saildrives durchgecheckt. Wir haben nämlich dicke grau-schwarze Schlieren auf dem gesamten Schiff die auch mit aggressiven Reinigern und viel schrubben kaum weg zu bekommen sind. Herkunft: die rußigen Abgase der vielen Frachtschiffe und Tanker die täglich den Panama Kanal passieren. Abends essen wir ein letztes Mal im wirklich leckeren Restaurant der Shelterbay Marina, um uns vor dem zu Bett gehen noch mit den anderen Crews, die Morgen geschleust werden, auf einem Absacker zu treffen…
Wir stehen früh morgens auf, trinken einen ersten Kaffee zum wachwerden und laden die aktuellen Wettervorhersagen vom Internet herunter. Ich repariere noch die Grauwasserpumpe der Gästekabine (unsere Linehandler und der Advisor sollen sich ja die Hände waschen können), während Anita und die Kinder auf der Pacific High „Klar Schiff“ machen. Pünklich um 11:30 Uhr erscheinen unsere drei Linehandler Edwina (Idi), Mack und Mike. Gegen Mittag laufen wir aus und ankern kurze Zeit später in den Flats. Während es in der Marina schwül und stickig war, weht hier eine leichte Brise und wir verbringen die Warterei auf unseren Advisor damit, die Solarzellen abzudecken, die Fender und Reifen zu justieren die unsere Pacific High schützen sollen, ein paar leckere Sandwiches zu essen und viele interessante Geschichten auszutauschen. Auch die anderen drei Boote, die mit uns geschleust werden sollen, sind eingetroffen Es wird eifrig gefunkt und herumgeblödelt. Gegen 16:00 Uhr zieht ein Unwetter auf, das uns um 17:00 Uhr heftigen Regen bringt. Natürlich braust genau
jetzt ein Lotsenboot in voller Fahrt zu unserem Ankerfeld und stoppt direkt neben der Pacific High. Noch bevor unser Lotse an Bord gesprungen ist, deutet er auf einen schnell vorbeifahrenden Frachter und ruft mir zu: “Captain, anchor up, start the engines and follow that cargoship as quick as possible to the locks!“. Dann ist er auch schon bei mir auf der Flybridge und während Anita den Anker lichtet, stellt er sich vor: Elfir McMillan, Ingenieur, seit 23 Jahren für die Flotte der Schlepper des Panama Kanals tätig und in seiner Freizeit Lotse. Wir sind uns auf Anhieb sympathisch, Elfir spricht perfekt englisch und spanisch, ja sogar einige Sätze deutsch. Es gießt in Strömen, vor allen Dingen Anita auf dem Vorschiff ist klitschnass, während wir auf der Fly einigermaßen Schutz unter dem Verdeck finden. „Unser“ Führungsschiff, der knapp 700 Fuß lange Frachter „Carribean Star“, mit dem wir zusammen geschleust werden, hat die Passage Nummer „24“, wir sind sein Anhängsel „24 Charlie“. Er hat seine Fahrt bereits vor der Schleuse reduziert während wir noch mit
unserer Höchstgeschwindigkeit, von gut 10kn unter Motor, versuchen aufzuholen. Dann ertönen hektische Anweisungen und aufgeregte Diskussionen aus McMillans Funkgerät. Sein Mund verzieht sich zu einem breiten Lächeln: „Der Frachter hat vergessen einen Schlepper anzufordern und die Schleuse hat auch gepennt, jetzt verzögert sich die Einfahrt um einige Minuten, Du kannst die Fahrt zurücknehmen“, erklärt er mir. Der Squall ist durch, der Regen hat aufgehört und die abendliche Sonne erscheint wieder zwischen den Wolken. Es ist ein bewegender Moment, als wir die Tore der ersten der drei Gatun Schleusen, passieren und in die riesige Schleusenkammer einfahren: was haben wir Vier diesem Moment entgegengefiebert! Wir schauen uns verstohlen an, und würden uns am liebsten gegenseitig kneifen um sicher zu sein, dass wir nicht träumen… aber Anita, Helena und Kolja bedienen die Leinen und schießen nebenbei viele Fotos, ich habe alle Hände voll am Steuer zu tun, um die Pacific High sicher in der Mitte der Schleusenkammer zu halten. Es gibt für uns
Freizeitschiffer vier Möglichkeiten die Schleusen zu passieren: „im Päckchen“ vertäut mit bis zu zwei weiteren Booten, an einem der Schlepper seitlich vertäut, an der Schleusenmauer oder alleine mittig – unsere Wunschmethode mit der wir jetzt auch die ersten Schleusen passieren. Unser Advisor Elfir ist klasse: ruhig und routiniert gibt er seine Anweisungen und ruft auch der Schleusencrew klare Befehle entgegen. Dann schließen sich die über 30m breiten Tore und gewaltige Wassermengen strömen in die Schleuse. Das verursacht starke Strömungen und Verwirbelungen: Anita, Helena und Kolja, sowie unsere Linehandler haben einiges zu tun während ich nur selten mit den Motoren, die immer „Standby“ mitlaufen, unterstützen muss. Unser Advisor ist immer wachsam und erklärt mir, dass die Schleusen mit der „normalen“ Geschwindigkeit oder der „doppelten“ gefüllt werden können. „Unser“ Frachter hat es eilig und die schnelle Schleusung beantragt, daher bekommen wir mehr Verwirbelungen ab, sind aber auch früher oben. Schon bald schwimmen wir ca.
6m höher und ein Bimmeln kündigt das Öffnen der vorderen Schleusentore an. Während der Frachter vor uns von den Lokomotiven gezogen wird, müssen wir aus eigener Kraft in die nächste Kammer fahren. Das gleiche Spiel beginnt von vorne: Tore zu, Wasser marsch und Schwupps, schwimmt die Pacific High wieder ein gutes Stück höher. Es geht in die dritte Kammer, langsam bekommen wir Routine. Helena und Kolja machen ihre Sache klasse und besonders Helena möchte ich an dieser Stelle loben (Kolja ist ja sowieso schon der zweite Käpten an Bord): sie packt kräftig zu, hat ein gutes Gespür für die Strömung und macht noch tolle Fotos nebenbei! Während ich noch aus nun 16,5m über dem Meeresspiegel zurück auf den Atlantik schaue, fragt mich Elfir unser Advisor welche maximale Marschgeschwindigkeit wir den halten können, damit wir „unseren“ Frachter nicht zu lange aufhalten, auf dem Weg durch den Kanal zur ersten Pazifik Schleuse. Wie Pazifikschleuse? Wir ankern doch gleich gemütlich im Gatunsee! Außerdem haben wir uns doch schon mit den anderen Seglern zu
einer kleinen Feier verabredet! „Daraus wird wohl nichts“, meint Elfir, da wir so schnell sind und so viele Boote auf eine Durchfahrt warten, werden wir wie ein „Professional“ behandelt und in einem Rutsch bis in den Pazifik durchgeschleust. Zuerst wissen wir nicht so recht, ob wir Lachen oder Weinen sollen: eigentlich hatten wir uns auf die Nacht im Gatun See zusammen mit den anderen Seglern gefreut. Auf der anderen Seite haben wir eine traumhafte Abendstimmung, eine laue Sommernacht, die sonst üblichen Gewitterwolken haben sich verzogen und Elfir verspricht uns, dass eine Nachtpassage durch den Kanal etwas ganz Besonderes sei und uns bestimmt gefallen wird. Wir haben sowieso keine Wahl und nehmen unser Schicksal positiv an. Es herrscht eine tolle Stimmung an Bord: wir verstehen uns super und sitzen alle zusammen auf der Fly und bewundern die letzten goldenen Strahlen der untergehenden Sonne auf den Wassern des Gatun Lake. Für unseren Advisor und den Käpten gibt es jeweils ein halbes Bier, für die anderen gibt es Wein, Cola und einen T-Punch. Es wird schnell dunkel und ich übergebe das Steuer an unseren zweiten Käpten
(Kolja) und bereite zusammen mit Helena das Abendessen vor. Es gibt eine Pilzcremesuppe, gegrillte Steaks, Filet und Hähnchenbrust, dazu frisches Baguette aus dem Ofen sowie Nudelsalat an Balsamico mit frischen Paprika, Böhnchen und Mais sowie einen Ceasar Salat. Zum Nachtisch Mousse au Chocolat und Kaffee. Ich übernehme wieder das Ruder, damit auch Kolja Abendessen kann. Elfir ist wieder bei mir und kurze Zeit später auch der Rest der Familie. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl der Euphorie und des Glücks zusammen auf der Flybridge zu sitzen und durch die Nacht über den Gatun See zu rauschen. Der Panama Kanal ist bestens ausgetonnt und strahlt hell erleuchtet in den Farben grün und rot. Unser Advisor Elfir ist ein intelligenter und interessanter Gesprächspartner. Er erzählt uns viel von seinem Heimatland Panama, von den Verbesserungen der letzten Jahrzehnte, der modernen Hauptstadt und den freundlichen und fleißigen Menschen. Aber auch von der allgegenwärtigen Korruption, von der wachsenden Gewalt, den vielen Verbrechen… es ist
ein Land der zwei Gesichter, von dem er uns erzählt. Außerdem bekommen wir viele Tipps, wo man was am besten einkaufen kann, wo das Fleisch extra zart, das Gemüse besonders frisch und das Brot knusprig ist. Wir bestaunen die vielen tausend Lichter entlang des Kanals der Arbeitsschiffe, verschiedenen Kräne, Schlepper und Baggerschiffe, das häufig beleuchtete Ufer und Häfen. Beeindruckend ist auch die Centennial Bridge (Puente Centenario) die Nachts hell erleuchtet ist. Wir erreichen schon nach gut 2 1/2 Stunden gegen 22:15 Uhr die Pedro Miguel Schleuse auf der Pazifikseite des Kanals. Normalerweise wären wir erst Morgen früh um 7:00 Uhr vom Gatun See aus losgefahren und gegen 13:00 Uhr hier angekommen, hätten also für die gleiche Strecke 6 Stunden Zeit gehabt. Trotzdem ist unser Führungsschiff, die „Carribean Star“ schon in die östliche Schleusenkammer eingefahren. Da wir „bergab“ vor den Frachtern geschleust werden, können wir nicht mehr einfahren und werden mit der Nummer 26, dem Frachter „Hansa Arendal“ geschleust.
Ein uns entgegenkommender Tanker hat die westliche Schleusenkammer verlassen und wir können zügig einfahren. Diesmal werden wir an der Schleusenwand festmachen: etwas Neues, damit es uns nicht zu langweilig wird! Vor dem Ausfahren aus der Pedro Miguel Schleuse wird wieder heftig gefunkt: es kommen uns ein Tanker und ein Frachter aus der Miraflores Schleuse entgegen, denen wir, die beiden Frachter Nr. 24 und 26 sowie die Pacific High, ausweichen müssen. Die Pacific High wird angewiesen sich ganz klein neben einer der riesigen Bojen am Kanalrand zu vertäuen. Frachter 26 bleibt in der Schleusenkammer und die „Carribean Star“ wartet am östlichen Kanalufer. So können uns die bergauf fahrenden Schiffe sicher passieren und wir in unsere letzte Doppelschleuse, (Miraflores) einfahren. Da erfolgt ein weiterer Funkspruch: die „Cachique“, einer von Elfirs 5000 PS Scheppern möchte mit uns geschleust werden und schlängelt sich durch die eh schon eng einander passierenden Frachter. Mit Volldampf fährt sie direkt vor uns in die Schleuse ein
und macht an der Schleusenwand fest. Wir erhalten neue Instruktionen und sollen uns an der „Cachique“ vertäuen und mit ihr schleusen: prima, wieder eine neue Variante, bald haben wir sie alle durch. Es ist mittlerweile nach 23:00 Uhr als mir Elfir „klare“ Anweisungen gibt: „Klaus, fahr langsam durch die Schleuse zur „Cachique“. Pass auf die Schleusenwand auf, denn wir haben durch die schnelle Einfahrt des breiten Schleppers viele Verwirbelungen im Schleusenbecken und Du hast kaum mehr Fender auf der Bachbordseite (die hängen alle zum Schutz vor Schlepper an der Steuerbordseite). Mach aber schnell, denn von hinten kommt der Frachter, der wird eine mächtige Bugwelle in die Schleuse schieben, die Dich zur Seite drücken wird. Du musst am Schlepper festgemacht haben bevor die Bugwelle uns erreicht. Und mach mir keine Schande, dass sind meine Leute da an Bord, also blamier mich nicht“. Freundlich aufmunternd klopft er mir auf die rechte Schulter. Es ist gar nicht so schlimm, die Pacific High weiß genau was zu tun ist und Dank meiner tollen Crew hängen wir
Ruck-Zuck seitlich an der „Cachique“. Die Schleusung selber ist ein Kinderspiel, wir müssen ja nichts tun und haben sogar Zeit für ein paar Fotos zu posieren. Vor der Einfahrt in die letzte Kammer hat Elfir wieder eine Überraschung parat: „Wir können nicht mit dem Schlepper zusammen fahren, das ist zu gefährlich. Wir machen uns los, Du fährst voraus und hältst dicht neben der Backbord Schleusenwand (unsere Seite fast ohne Fender) damit die „Cachique“ uns überholen kann. Danach erfolgt das gleiche Spiel wie in der letzten Schleusenkammer. Der Schlepper legt zuerst an und wir folgen ihm langsam, müssen aber schnell sein wegen der Bugwelle… aber das kennt Ihr ja schon. Alles läuft glatt und genau um Mitternacht öffnen sich die letzten Schleusentore zum Pazifik. Wir fahren mit Vollgas aus der Miraflores Schleuse und sind überglücklich: Alles ist glatt gegangen – Kanal nicht beschädigt, wir sind problemlos und einen Tag früher als geplant im Pazifik! Wir umarmen uns… auch unsere Linehandler freuen sich. Bald passieren wir die Bridge of the Americas (Puente de las
Américas) und Elfir bittet mich ihm einige Kommandos auf deutsch zu übersetzen: er ist dabei deutsch zu lernen. Eine halbe Stunde später kommt ihn das Lotsenboot abholen und wir verabschieden uns wie gute Freunde. Gegen zwei Uhr Morgens treffen wir an unserem Ankerplatz ein und finden auch ein sicheres Plätzchen für die Nacht. Trotz der vorgerückten Stunde und der Müdigkeit nach der anstrengenden Passage, genehmigen wir fünf Erwachsenen uns noch einen Cocktail auf der Fly. Dann folgen wir schnell den Kindern in die Betten und fallen in einen seligen und glücklichen Schlaf.