Ich kann mir vorstellen, dass sich manche unserer Geschichten haarsträubend, vielleicht unglaublich anhören. Die Aktion, von der ich heute erzählen möchte, fällt eindeutig in diese Kategorie. Wenn ein Ankernachbar versuchen würde, mir so einen Bären aufzubinden, würde ich auch denken: typisch Seglerlatein!
Die ganze Geschichte spielt sich eigentlich vor genau zwei Monaten am Freitag, den 14. Juni 2013 ab, nahm ihren Lauf aber bereits während unserer Pazifiküberquerung im März. Da gab Koljas, gerade erst 1 ¼ Jahr alter, MacBook Pro seinen Geist auf. Nichts ging mehr. Den Symptomen nach, musste der Fehler an einem defekten Mainboard liegen. Wir hatten vor knapp einem Jahr ein ähnliches Problem mit Anitas MacBook Pro. Damals waren wir noch in den USA und konnten uns direkt an einen Apple Store wenden, wo der Laptop kulant für 300$ generalüberholt wurde (neues Logicboard, neuer schnellerer Grafikchip, neuer Hauptspeicher). Diesmal waren wir jedoch mitten auf dem Pazifik! Man kann sich Koljas Verzweiflung vorstellen: monatelang ohne seinen geliebten Laptop! Ohne Computerspiele und ohne Apple Garageband (ein Programm um selber Musik zu machen), undenkbar! In Tahiti / Papeete brachten wir den Laptop zum Apple Premium Reseller „ivea“. Nachdem Koljas MacBook Pro dort knapp eine Woche rumgelegen hatte, bekamen wir einen Kostenvoranschlag zur Reparatur über 860€ (gut 700€ für ein neues Logicboard plus Arbeitslohn). Darüber wollten wir lieber eine Nacht schlafen, zumal ich im Internet einen verrückten Artikel über die Reparaturmöglichkeiten von NVidia Grafikkarten gelesen hatte. In diesem Bericht wurde beschrieben, dass moderne Grafikchips nicht mehr gelötet sondern „schwimmend“ geklebt werden. Öfters verliert so ein Kontakt im Laufe der Jahre seine Leitfähigkeit und die Platine funktioniert nicht mehr. Der Autor dieser Internetseite behauptet nun, dass man so eine Platine in einem handelsüblichen Backofen 7 Minuten bei 200 Grad „backen“ soll. Die Kontakte erhalten so ihre Leitfähigkeit zurück. In Koljas MacBook Pro ist auch ein NVidia Grafikchip verbaut. Ob wir den mal backen sollten!? Viel zu verlieren haben wir eigentlich nicht, das Logicboard ist ja eh defekt und soll ausgetauscht werden. Daheim kämen wir nie auf so eine Schnappsidee, aber hier, mitten im Pazifik… So liegt also Koljas Laptop auf dem Salontisch und wir dringen Stück für Stück in sein Innerstes vor. Jede Schraube und jedes Kabel das wir entfernen wird dokumentiert. Wie erwartet herrscht drangvolle Enge im Inneren des Laptop und besonders das Entfernen der vielen dünnen Anschlüsse ist eine fuddelige Angelegenheit. Irgendwann halten wir dann doch das ausgebaute Logicboard in den Händen.

Jetzt werden, vorsichtshalber, die Anschlüsse noch mit Alufolie vor der Hitze geschützt und das ganze auf Zahnstocher (als Abstandshalter) gespießt. Der Backofen wird auf 200 Grad vorgeheizt – gut das wir keinen der bootsüblichen Gasöfen, sondern einen Elektrobackofen an Bord haben, bei dem man die Temperatur gradgenau regeln kann. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend stellen wir das Mainboard aufs Backblech und backen es genau 7 Minuten wie empfohlen.

Nach einer knappen halben Stunde ist das Mainboard soweit abgekühlt, das wir es wieder einbauen können. Kolja und ich sind ein gutes Team, wir bekommen alles wieder sauber zusammengebaut. Der entscheidende Moment naht: Kolja hat die Ehre seinen Laptop zum ersten Mal wieder einzuschalten, und… ein Wunder! Nach den üblichen Laufwerksgeräuschen erscheint das Apple Logo auf grauem Grund und der bekannte Einschalt-Gong ertönt! Noch während der Desktop geladen wird liegen wir beide uns in den Armen und können es nicht fassen: der Laptop funktioniert wieder!

Im Laufe der nächsten Stunden prüft Kolja seinen MacBook Pro auf Herz und Nieren: alles funktioniert wieder einwandfrei! Da wir eine Überhitzung von CPU oder Grafikchip als Ursache des Malheurs vermuten, läuft die ganze Zeit ein Temperatur Monitor Widget mit. Und dieses bestätigt unsere Sorgen: mit 95 Grad liegen die Temperatur Spitzenwerte zwar noch im zulässigen Bereich, sind aber grenzwertig. So baut Kolja ein paar Tage später noch einmal GANZ ALLEINE seinen Laptop auseinander. Wir hatten bei der ersten Reparatur das Gefühl, das die beiden Heatpipes, die die Hitze von den Prozessoren ableiten, keinen 100% Kontakt hatten. Sie werden sie genau plan geschliffen und, mit neuer Wärmeleitpaste versehen, mit Hochtemperaturkleber neu befestigt. Es befällt uns das gleiche Lampenfieber, wie vor dem Einschalten nach der ersten Reparatur. Aber alles geht gut, auch dieses Mal bootet der MacBook Pro wieder brav! Alles läuft wie geschmiert und die Temperatur ist durchschnittlich 10 Grad niedriger wie vorher! Ich schreibe diesen Blogeintrag erst heute, nach zwei Monaten, weil wir abwarten wollten ob unsere Reparatur auch dauerhaft Bestand hat… bis heute funktioniert Koljas Laptop wieder einwandfrei!