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Segeln

16.12.2014 Segeln an der Australischen Ostküste

(Coffs Harbour – Port Stephens / 175sm / 19 Sunden / 9,3kn durchschnittl.)

Das Segeln die Australische Ostküste hinunter will genau geplant werden. Windwechsel in dieser Häufigkeit haben wir noch nirgendwo anders erlebt. Hier eine Zusammenfassung der Segelbedingungen zwischen Coffs Harbour und Sydney: … bis Montag (15.12) nachmittags 15kn aus Südost. In der Nacht auf Dienstag Windwechsel auf Nord schnell bis 30kn auffrischend. Schon am Dienstagmorgen gegen 5:00 Uhr wieder ein Windwechsel auf Süd um 25kn der auch wiederum nur 24 Stunden anhält und wieder zurück auf Nord (15kn) dreht. Und so geht es weiter…

Wir beschließen am Dienstagmorgen in aller Herrgottsfrühe aufzubrechen und unser Glück zu wagen. Bis Sydney schaffen wir es in diesem kurzen Zeitfenster allerdings nicht, aber bis in die geschützte Bucht von Port Stephens sollte es reichen, wenn wir einen Schnitt von mindestens 7,5kn segeln. Es ist ein wenig ein Vabanque Spiel: sind wir nicht schnell genug laufen wir Gefahr die letzten 50sm gegen 25kn Wind und 1,5m Welle anzulaufen: das macht dann weniger Spaß. Außerdem weiß man nie was bei so einem Winddreher passiert: Squalls oder Gewitterwolken können sich da leicht bilden. Der Wetterbricht enthält keinerlei solcher Unannehmlichkeit sondern verspricht sonniges Wetter. So gehen Kolja und ich um 4:00 Uhr früh Anker auf und motoren im ersten Morgenlicht zur Hafenausfahrt hinaus. Wir melden uns per Funk beim MRC (Marine Rescue Service) Coffs Harbour ab und geben unser heutiges Ziel Port Stephens und unser ETA (fünf Uhr morgens) an. Diese Daten werden an alle Coast Guard Station auf dem Weg weitergeleitet und sollten wir überfällig sein würde nach uns gesucht. Bald kommt Wind auf und wir können Segel setzen und die Motoren abstellen. Wir werden immer schneller: schnell segeln wir mit 8kn bis 9kn. Wind und Welle von achtern bedeuten angenehmes ruhiges Segeln. Len und Kolja können „ganz normal“ Schule machen, wir leben einen ruhigen Bordalltag. Gegen Mittag hat der Wind auf 30kn aufgefrischt und der Himmel zieht langsam zu. Auch Dank der Ostaustralischen Strömung laufen wir mittlerweile mit 10kn plus. Wir reffen die Segel immer weiter, denn es hat sich eine 3m steile Welle aufgebaut und im Surf erreichen wir häufig um die 15kn. Am Nachmittag hat sich der Himmel komplett verdunkelt und plötzlich zucken Blitze an Backbord und Steuerbord voraus. In Böen weht es jetzt mit über 40kn, wir haben nur noch die Fock im dritten Reff draußen und segeln weiterhin mit 9kn bis 10kn.

06_20141216_DSC01064Auf den Fotos schauen die Wellen nie bedrohlich aus. Man erkennt aber – glaube ich – am Wellenbild wie schnell wir unterwegs sind.

Mit dem Wind haben wir keine Probleme aber vor Gewittern fürchten wir uns. Wir wechseln mehrfach den Kurs um den dicksten Gewitter Herden auszuweichen, die man auf dem Radar gut erkennen kann. Am Abend haben wir die Gewitter – Gott sei Dank – hinter uns gelassen, nur der Wind bläst unvermindert weiter. Wir sind gut zwei Stunden vor unserem ETA.

01_20141216_DSC01044Sonnenuntergang durch die Salonfenster fotografiert

02_20141216_DSC01049Sonnenuntergang von der Fly aus gesehen

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Im Sonnenuntergang sind keine weiteren Gewitterzellen oder schwere Regenwolken auszumachen: vielleicht wird die Nacht ja ruhiger als der Nachmittag!? Einige Frachter, Tanker und Kreuzfahrtschiffe ziehen nahe an uns vorbei, Dank AIS ist eine Abstimmung der Kurse aber unproblematisch. Erst kurz vor Port Stephens nimmt der Wind ab und wir laufen bei Windstille in die Bucht ein. Das haben wir bisher noch nie gewagt, bei stockdunkler Nacht in eine fremde unbekannte Bucht einzulaufen. Die Einfahrt ist zwar 1km breit aber es gibt vorgelagerte Insel und Untiefen. Bevor wir aber in den Windwechsel hineinsegeln und 25kn auf die Nase bekommen laufe ich lieber bei Nacht in Port Stephens ein. Wir haben uns wieder beim MRC angemeldet der uns freundlich und kompetent begrüßt. Er hat unsere Daten von Coffs Harbour übermittelt bekommen und ist erstaunt, dass wir fast drei Stunden vor unserem ETA liegen. Wir bekommen noch Ratschläge für die Einfahrt. Bis auf den Nervenkitzel, da man ohne Mond in der Nacht wirklich kaum etwas sieht ist die Einfahrt gar nicht so schwer. Wir halten uns genau an die Leuchtfeuer und unser GPS, Len hat immer unser Echolot im Auge. Bereits um kurz vor 2:00 Uhr liegen wir vor dem hell erleuchteten Sandstrand der Shoal Bay vor Anker. Ein letzter kurzer Funkspruch an den MRC, wir werden freundlich willkommen geheißen, und wir fallen noch NICHT in die Kojen. Bei dem Gewitter und dem Starkwind hatten wir uns noch kein Abendessen zubereitet. Ich hatte vorab Pizza und eine Gemüse Frittata vorbereitet, die wir jetzt im Ofen schnell fertig backen, denn alle Vier sind recht hungrig nach dem langen Segel Tag. Beim späten Nachtessen durchleben wir noch einmal zusammen unser heutiges Abenteuer und freuen uns so viel Glück gehabt zu haben und diese doch schwierige Wetterlage sicher und wohlbehalten durchsegelt zu sein. Wir stoßen noch einmal auf unseren Schutzengel an, dann wind wir wirklich müde und lassen Alles stehen und liegen: Aufräumen können wir auch Morgen früh.

Nachtrag: exakt um 5:10 Uhr morgens werden wir von unserem Windalarm geweckt: der Wind hat wie vorhergesagt auf Süd gedreht und weht in Böen mit bis zu 30kn. Die 175sm von Coffs Harbour nach Port Stephens haben wir in 19 Stunden zurückgelegt, das entspricht einem Schnitt von über 9kn.

07_20141217_Panorama_DSC01066Unser aktueller Ankerplatz Port Stephens / Shoal Bay am frühen Morgen

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Ankerplatz

15.12.2014 Coffs Harbour

Während ich diesen Blogeintrag schreibe befinden wir uns auf dem Weg nach Sydney und nehmen viele wunderschöne Eindrücke von Coffs Harbour (unserem ersten Hafen in Australien) aber auch einige negative Erfahrungen mit.

01_20141209_Panorama_DSC00982Unser aktueller Blick vom Ankerplatz

Natürlich überwiegen die positiven Erlebnisse: angefangen mit dem Australischen Marine Rescue Service (Coast Guard). Unsere Einklarierung verlief ja völlig unproblematisch. Der Wetterdienst ist hervorragend und die Beamten freundlich. Überhaupt scheinen die Aussies ein freundliches, lockeres und offenes Völkchen zu sein. Es ist leicht ein Gespräch anzufangen, wir haben einige nette Bekanntschaften knüpfen können.

Immer wieder unglaublich kommt es uns vor dass, egal wohin wir segeln, wir auf Freunde und Bekannte treffen. Zusammen mit uns in Coffs Harbour liegen die Segelboote “Zenna”, “Sky” und “One White Tree”. Es ist schon unheimlich wenn man gerade in Australien angekommen ist, in den nächsten Supermarkt läuft und auf bekannte Gesichter trifft… irgendwie ist man als Seglernie allein.

Die Landschaft von Newsouthwales ist wunderschön und erinnert uns an Mitteleuropa: Laubwälder und Wiesen, Berge weiter im Landesinneren, dazu lange weiße Sandstrände an den Küsten. Coffs Harbour und seine nähere Umgebung machen einen super gepflegten Eindruck. Die Bucht in der wir ankern ist wunderschön, mit einem breitem Sandstrand, vielen großen Schildkröten und großen Schwärmen von Rochen die majestätisch durchs Wasser fliegen.

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Gut gefallen hat uns auch der Ort Coffs Harbour selbst, mit seinem quirligen Stadtzentrum, den vielen Cafés und Bistros die zum gemütlichen Verweilen einladen. Begeistert sind wir von den Einkaufsmöglichkeiten. Es gibt große Supermärkte die wie Delikatessläden aussehen, tolle Gemüsehändler mit einem riesigen Angebot und hervorragender Qualität.

Unsere Ausflüge enden meistens bei „Attitude Burger“ direkt am Jetty von Coffs Harbour. Marc hat dieses Burger Restaurant vor gut 10 Jahren eröffnet und macht – für mich – die besten Burger auf der Welt. Ich bin sonst nicht so der Fan von Fast Food, aber… Es fängt damit an, dass man direkt in die Küche blicken kann und hier wirklich alles frisch zubereitet wird. Und dann die Burger: Hühnchen-Parmesan mit gegrillten Auberginen an einer Tomaten-Limonen-Mayonaise oder Black Angus Beef mit gegrillten Paprika und Zwiebeln, einer Scheibe Swiss Cheese und Roquefort sowie rote Beete Scheiben…

04_20141211_DSC01010_HDRNatürlich haben wir auch traumhafte Sonnenuntergänge und nette Sundowner Runden in Coffs Harbour

Nun zu dem Negativen: so nett und freundlich die Australier sind, Ankern können sie nicht (unser zugegebenermaßen subjektiver und beschränkter Eindruck von einer Woche in Coffs Harbour). Die Bucht hinter dem Wellenbrecher ist 600m x 1000m groß, da haben locker 30 Boote Platz. Wir ankern am nördlichen Ende des Strandes direkt neben dem Jetty (Pier), von dem wir mit dem Heck nur noch rund 10m entfernt sind, wenn uns der Wind dorthin drückt. Bei 6m Wassertiefe haben wir 40m Ankerkette gesteckt. Die vier australischen Segler, die in den kommenden Tagen in der Bucht ankern, fahren zielgenau auf die nicht vorhandene Lücke zwischen uns und dem Jetty zu, lassen ihren Anker mehr oder minder auf unseren Fallen und meinen das 15m Kette hier vollkommen ausreichen. Wenn wir sie dann freundlich aber bestimmt darauf aufmerksam machen, dass wir mit seinem Ankermanöver nicht glücklich sind folgen die gleichen starrsinnigen Argumente wie überall: das geht schon, ich will hier bleiben 50m neben Euch ist mir zu viel Schwell, eure Schuld Ihr habt zu viel Ankerkette draußen, das hättet Ihr eher sagen sollen, bevor wir geankert haben. Zwei Segler bleiben einfach liegen (einer davon stößt, glaube ich, nachts gegen das Pier), einen können wir überzeugen umzuankern und bei einem 18m Stahlschiff suchen wir bei Regen und 20kn Wind das weite denn schon in der ersten halben Stunde sind wir zwei Mal fast zusammengestoßen…

02_20141211_Panorama_DSC00993Einer der vielen Wetterumschwünge, die hier an der australischen Ostküste ganz normal zu sein scheinen

Noch blöder haben wir es mit dem Wetter getroffen: so einen stürmischen Ankerplatz wie in Coffs Harbour hinter dem Wellenbrecher hatten wir in 6 Jahren noch nie. Drei Tage lang konnten wir nicht von Bord: das ist Rekord. Es war eine Kombination aus Gewittern, Starkwinden über 30kn (in Böen bis 40kn) und gut drei Meter Schwell mit brechenden Wellen im Hafen. Da der Schwell auch noch seitlich zum Wind kam wurde die Pacific Higk trotz ihrer 8,6m Breite hin und her geschleudert wie ein Monohull. Es wird einem ganz anders, wenn man im Salon sitzt, aus dem Fenster schaut und in eine Wand aus Wasser starrt die sich über der Pacific High bricht. Selten hatten wir solche Wellen unterwegs auf offenem Meer, aber am Ankerplatz!? Wir hatten die Nase gestrichen voll nach drei Tagen!

05_20141211_DSC01019_HDREine Wolkenfront schiebt sich über den wolkenlosen Himmel

06_20141211_DSC01031_HDR10 Minuten später

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Am nächsten Morgen brechen sich die Wellen zuerst beeindruckend am Wellenbrecher

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Dann ist in der eigentlich geschützten Bucht “Land unter”, der Schwell drückt ungehindert bis zu unserem Ankerplatz

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Die Aufnahmen entstanden nicht auf dem offenen Meer, sondern am Ankerplatz wenige Meter neben der Pacific High

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Segeln

08.12.2014 Segeln von Neukaledonien nach Australien

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(940sm / 5 Nächte / 120 Stunden / knapp 8kn Fahrt durchschnittl.)

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01_20141203_Panorama_DSC00900Sonnenaufgang am frühen Mittwoch Morgen

Wie immer fällt uns der Abschied nicht leicht… Neukaledonien hat sich uns als ein wenig bekanntes Paradies offenbart! Nach den beiden windigen Tagen vor der Ile Maitre sind wir aber auch ein wenig froh diesen unruhigen Ankerplatz am Mittwochmorgen zu verlassen und nach Australien zu segeln.

02_20141203_DSC00912Ein letztes Erinnerungsfoto, dann gehen wir Anker auf

Unter Fock steuert Kolja die Pacific High um 7:00 Uhr morgens durch den breiten Pass von Dumbea. Je weiter wir uns von der Grande Terre (so heißt die Hauptinsel Neukaledoniens) entfernen, umso mehr frischt der Wind auf und nehmen Schwell und Wellen zu. Rund 25kn sollen es die ersten beiden Tage laut Wettervorhersage sein, daher setzten wir unser Groß gleich ins Reff und segeln mit 9kn bis 11kn genau Kurs Neukaledonien. Der Pazifik offenbart sich (wieder einmal) von seiner ruppigen Seite: 1,5m Welle aus Ost überschneiden sich mit 3m Schwell aus Süd… aber das soll in den kommenden Tagen besser werden! Mit langen Hosen, Fließpulli und Segeljacken sitzen wir vier auf der Fly, eine heiße Tasse Tee oder Kaffee in der Hand – trotz 25 Grad Lufttemperatur. Der Himmel ist bedeckt aber es regnet (noch) nicht. Viel schneller als erwartet verschwindet die lange und hohe Silhouette der Berge Neukaledoniens in einem Wolkenmeer: wir drei verziehen uns in den geschützten und warmen Salon, nur Anita hält die Stellung und liest in ihrem Kindle.

03_20141203_DSC00921Großsegel im dritten Reff

Welch praktische Erfindung für uns Segler: bei diesen kräftigen Winden ein „normales“ Buch zu lesen: (fast) unmöglich und aktuelle deutsche Bücher, die wir überall auf der Welt auf unsere Kindle laden können, schon mal gleich gar nicht. Richtiger Schulunterricht ist bei der unruhigen See nicht möglich, aber Kolja und Len lernen Französisch Grammatik und fragen sich gegenseitig Vokabeln ab. Am späten Vormittag gibt es ein üppiges Frühstück, haben wir doch viele Köstlichkeiten gebunkert, die wir nicht nach Australien mitnehmen dürfen. Die französischen Inseln im Pazifik sind für uns Segler schon allein aus einkaufstechnischer Sicht ein Paradies! Len und ich sind ein wenig Seekrank und halten uns daher – gezwungenermaßen – zurück. Überhaupt, was soll das: vier Jahre lang war ich nie Seekrank, konnte mir auch der übelste Schwell nichts anhaben. Jetzt ist mir bei jeder längeren Passage erst einmal zwei Tage leicht übel und ich bekomme auch immer öfters Kopfweh von dem vielen Wind. Ohne Mütze oder Stirnband segele ich schon gar nicht mehr… Nachmittags spielen wir Karten und schauen Filme.

Viel zu sehen gibt es nicht, der Himmel ist immer noch grau in grau, aber die Wellen kommen – wie vorausgesagt – mehr aus achterlicher Richtung. Die Pacific High scheint sich bei diesen Wetter Bedingungen wohl zu fühlen und stapft weiter genau Kurs Coffs Harbour durch die See. Viel zu tun haben wir nicht: die Segel stehen gut, der Wind weht konstant – ehrlich gesagt ist uns langweilig. Die See ist zu unruhig für ein „normales“ Bordleben, es reicht nur zum Lesen oder Filme schauen. Willkommene Abwechslung sind kleine Rituale wir unser nachmittags Cappuccino auf der Fly. Wenigstens für das leibliche Wohl ist gesorgt: abends gibt es italienische Kartoffelgnocchi (gab es Vakuum verpackt beim Casino Supermarkt in Noumea) mit Tomatensauce Bolognese Art mit vielen Kräutern (immer noch von unseren Freunden Aline und Elodie, die uns auf der Ile des Pins besucht hatten – halten sich in der 0 Grad Box im Kühlschrank wochenlang frisch) dazu einen großen bunten Salat.

Die erste Nacht bringt wenig Aufregung. Nachtwachen bei 25kn Wind und Geschwindigkeiten im 2-stelligen Bereich erfordern zwar erhöhte Aufmerksamkeit, solange uns keine dicken Squalls oder Gewitter heimsuchen, sind sie aber immer noch gut zu verkraften zumal uns jetzt Kolja und Len unterstützen.

04_20141207_Panorama_DSC00926Schwarze Wolken, viel Wind = schnelles Segeln

Am Donnerstag um 7:00 Uhr morgens trage ich unser erstes Etmal von 200sm ins Logbuch ein: das ist doch ganz ordentlich und die kabbelige See gleich besser zu ertragen. Auch unser zweiter Segeltag verläuft ähnlich: größtenteils bedeckter Himmel, konstante Winde über 20kn abnehmender Schwell um 2m. Wir spielen „Chase the Ace“, ein Kartenspiel, dass wir vor vielen Jahren von der Crew der „Mango Groove“ gelernt haben. Len ist irgendwie ein Pechvogel: sie ist die einzige die nie gewinnt, selbst wenn sie kurz vor Ende haushoch führt, gelingt es noch jemand anderem ihr den Sieg wegzuschnappen! Abends gib es Rindergulasch mit Blumenkohl an Sauce Bechamel und Kartoffelpüree. Nach einer gemeinsamen Filmrunde verkrümeln sich alle außer der Nachtwache früh in ihre Kojen. Auch diese Nacht verläuft ohne größere Aufregungen. Der Himmel klart auf, wie haben fast Vollmond, es ist also die ganze Nacht über recht hell. Gegen 4:30 Uhr beginnt bereits die Morgendämmerung und um kurz nach 5 Uhr geht die Sonne auf.

Wir sind weiterhin flott unterwegs: 380sm in 48 Stunden. Das Wetter ist schön geworden: Passatbewölkung und viel Sonne. Wind (18kn) und Welle kommen jetzt genau von achtern, wir haben den Parasailor (Spi) gesetzt. Obwohl der Pazifik ruhiger und das Bordleben angenehmer geworden sind empfinden wir alle vier diese Tage ein wenig als verlorene Zeit. Man ist doch sehr eingeschränkt in seinen Möglichkeiten, vertreibt sich die Zeit mit Lesen oder Spielen. Vielleicht sind wir einfach nur ein wenig übersättigt, ausgepowert? Am Nachmittag feiern wir Bergfest, haben also über die Hälfte der Strecke bereits hinter uns. Wenn wir weiter so schnell unterwegs sind, könnten wir es sogar in nur vier Nächten bis Coffs Harbour schaffen. Während meiner folgenden Nachtwache soll aber Alles anders kommen…

Ich habe die letzte Nachtwache ab 2:30 Uhr. Der Wind hat weiter nachgelassen, wir sind mit 7-8kn langsamer unterwegs. Alles ist ruhig: eine entspannte Nachtwache. Ich langweile mich und lade per Kurzwelle / Pactor Modem nicht nur die aktuellen Wetter Grib Files herunter, sondern auch den Australischen Marine Weather Forecast für Queensland und New South Wales. Die Grib Files sind unverändert: wie nähern uns einem Starkwindgebiet vor der Küste Australiens mit max. 25kn Wind aus Nord. Das hat uns der Wetterserver von MaxSea schon vor einer Woche vorausgesagt – business as usual. Dann lese ich mir die detaillierten Australischen Seewetterprognosen durch und koche mir erst einmal einen starken Kaffee. Die zeichnen nämlich ein ganz anderes Szenario auf: in ihnen wimmelt es nur so von Unwetter-, Sturm-, Starkwind- und Gewitter- Warnungen… und zwar entlang der gesamten Ostküste von Brisbane bis Sydney: na super! Es ist gar nicht so leicht die vielen Sturmwarnungen zuzuordnen, da die betroffenen Küstenabschnitte mit lokalen Bezeichnungen versehen sind, die man in den Seekarten nicht auf Anhieb findet. Mein erster Impuls ist: in diese Suppe will ich nicht hineinsegeln, nicht vor der unbekannten Küste eines mir fremden Kontinents! Wir müssen uns das nicht antun: ich ändere den Kurs um 40 Grad nach Steuerbord, dann segeln wir halt nach Brisbane.

Am frühen Vormittag, beim Frühstück (wir haben immer noch leckeres Landbrot aus Noumea im Tiefkühler, dass – kurz im Ofen aufgebacken – köstlich riecht und schmeckt!) unterrichte ich meine Crew über die Sturm- und Gewitterwarnungen und unserem geänderten Ankunftshafen. Zu meinem großen Erstaunen meutert diese gegen ihren eigenen Kaptain! Das ist ja nur Rückenwind, der zählt nicht! Auch der Schwell und die Wellen kommen von achtern! Das wird schon nicht so schlimm kommen! Die übertreiben immer, die Aussies! Wir wollen wie geplant in dem malerischen Fischerort Coffs Harbour als in der Großstadt Brisbane einklarieren! Diese Flut an Argumenten hatte ich nicht erwartet und droht schon all meine Bedenken über Bord zu spülen, als Anita und Kolja zum vernichtenden Schlag ausholen. Sie erinnern mich daran, dass ich letzte Nacht den Spi stehen lassen wollte, während die beiden dagegen waren. Ihre Entscheidung auf Groß und Fock zu wechseln war die richtige: wir hatten einige Squalls und Windwechsel die unter Spi nicht lustig gewesen wären. Ich gebe mich endgültig geschlagen: wir einigen uns aber darauf in einem weiten Bogen nach Coffs Harbour zu segeln. Zusammen mit meiner Kursänderung verlängert sich dadurch unsere Segelstrecke, aber wir haben so an der Küste Australiens die Starkwinde genau von achtern.

Der Tag verläuft ereignislos = angenehmes Segeln! Die See hat sich so weit beruhigt, dass wir nach dem Abendessen (Rindergeschnetzeltes mit Zucchini/Möhren Gemüse und Reis) noch ein paar Runden „Buzz“ auf der Playstation spielen (ein Fragequiz ähnlich „Wer wird Millionär“). Len übernimmt die erste Wache, dann Kolja, Anita und ich wieder die letzte. Wir sind noch rund 150sm von Australien entfernt und erleben ein unglaubliches nächtliches Spektakel: gewaltige Gewitter über der Ostküste! Von 21:00 Uhr abends bis zur Morgendämmerung erhellen Blitze den gesamten Horizont. Gott sei Dank ist es nur Wetterleuchten, nur ab und zu ein leichtes. Die Gewitter scheinen sich über dem heißen Kontinent zu bilden um dann weit aufs Meer hinaus zu ziehen. Ab Mitternacht halten Anita und ich zusammen Nachtwache. Rundherum zucken jetzt Blitze, wir segeln nur noch unter Fock. Spaß macht das keinen mehr! Während wir heute Nacht noch in einigem Abstand zu den eigentlichen Gewitterherden segeln, wandern meine Gedanken schon voraus: morgen Nacht segeln wir nur 30sm vor der Küste mitten in dieser Suppe!

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Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages brechen gegen fünf Uhr durch die Wolken und offenbaren einen aufgewühlten Wolkenhimmel. Dicke schwarze Squalls, überlagert von einer recht kompakten Wolkendecke die in hohe wild zerzauste Cirrus Wolken übergeht. Schaut traumhaft aber nicht gerade beruhigend aus! Wir trinken zusammen im Salon Kaffee / Tee, dann übernimmt Len die Vormittagswache und ich hole mir noch eine Mütze Schlaf.

Als ich mittags wieder auf der Fly erscheine hat sich das Wetter erneut komplett geändert: kleine Schäfchenwolken ziehen schnell am blauen Himmel vorbei, das Wetter ist einer stabilen Passatwetterlage nicht unähnlich. Der Wind hat auf 25kn aus Nord aufgefrischt. Wir hören zum ersten Mal auf UKW Kanal 16 die Australische Küstenwache (aus rund 100sm Entfernung!) die das aktuelle Wetter und die vielen Sturmwarnungen wiederholt. Das Wetter schert sich nicht drum und auch bei Sonnenuntergang herrscht eine stabile Wetterlage, von Gewitterzellen, auch über dem Festland, keine Spur. Sollten wir doch Glück haben und ohne Gewitter durch unsere letzte Nacht segeln? Ja, die Nachtwachen sind zwar kein Zuckerschlecken, aber wir bleiben von den verhassten Blitzen verschont. Dass wir wirklich Glück hatten erfahren wir zwei Tage später von Elise, der Marina Managerin von Coffs Harbour. Am Vortag wurde ein leckgeschlagenes Segelschiff in den Hafen geschleppt, das kurz vor dem Untergehen war. Ein Blitzschlag hatte nicht nur die komplette Elektrik lahmgelegt, sondern auch mehrere Löcher unterhalb der Wasserlinie in den Rumpf gerissen!

Wir laufen aus eigener Kraft und ohne Schäden bei Nieselregen am frühen Morgen in die geschützte Bucht von Coffs Harbour ein. Den Maritime Rescue Service hatte ich schon 20sm davor angefunkt und über unsere geplante Ankunftszeit informiert. In den letzten Stunden hat die Crew, allen voran Anita, die Pacific High auf Hochglanz gebracht und noch einmal alle Schränke, Schubladen, Luken etc. kontrolliert und geputzt. Wir wurden von vielen befreundeten Seglern, die in den letzten Wochen in Australien einklariert hatten, vorgewarnt, dass die Segelboote vom Australischen Zoll freundlich, aber penibel genau kontrolliert werden. Jetzt ankern wir in der zugewiesenen Quarantäne Zone zwischen Jetty und Marina Einfahrt und meinen für jegliche Inspektion gut gerüstet zu sein. Wir sitzen in Fließpulli und Segeljacke auf der Fly und beobachten die sportbegeisterten Aussies am Strand und auf dem Jetty. Es wird gejogged, geschwommen, gekajackt, …und das um 7:00 Uhr früh! Die Luft ist gefühlte 15 Grad kalt und das Meer auch (in Wirklichkeit sind es schon ein paar Grad mehr)… brrr da würden wir nie auf die Idee kommen schwimmen zu gehen! Eine Großfamilie schlendert direkt am Heck der Pacific High über die Pier, zieht sich T-Shirt und Shorts aus und schon springen Vater, Mutter, Kind unter lautem Mutgebrüll ins Meer… und das gleich drei Mal hintereinander! Die spinnen die Römer, äh die Aussies!

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Der Zoll hat uns entdeckt und bittet uns via Funk in die Marina zu kommen und am Transient Dock festzumachen. Kaum haben wir angelegt, erscheinen auch schon zwei Zollbeamte. Ein kurzer Blick auf unser Unterwasserschiff, dann sind sie an Bord. Während Rory mit mir im Salon sitzt und sich mehr um den Papierkram kümmert, geht Anthony mit Anita durch die Kabinen. Die beiden sind sehr freundlich, es werden nur stichpunktartig wenige Schubladen oder Luken kontrolliert. Da wir schon vorab aus dem Internet die Einklarierungsformulare heruntergeladen und ausgefüllt hatten ist auch der Papierkram schnell erledigt und die beiden machen Anstalten sich schon zu verabschieden. Das soll schon Alles gewesen sein? Nach all den Horrorgeschichten die wir gehört haben!?

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So schnell kommen die beiden uns nicht davon: erst einmal werden Erinnerungsfotos geschossen (Rory hasst es fotografiert zu werden, wie uns Anthony kichernd erzählt, macht aber gute Miene zu bösem Spiel) und dann fragen wir sie noch über Coffs Harbour aus. Wir bekommen viele Tipps, wo man gut einkaufen kann, wann der Markt geöffnet hat und wo man für nur 10 AUD (7 EUR) die besten Steaks essen kann. Da sie keinen Kaffee mit uns trinken wollen, dürfen sie jetzt von Bord und auch wir müssen die Marina verlassen, da sie ausgebucht ist. Wir ankern diesmal links vom Jetty in 4m Wassertiefe auf Sand: Seglerherz was willst Du mehr?

Wir machen uns Tee oder Kaffee, nehmen leckere Kekse mit und setzten uns alle gemütlich auf die Fly. Wir bestaunen die Australische Küste und können es noch nicht so recht glauben mit unserem eigenen Segelboot hier zu ankern. Ein guter Zeitpunkt die letzten Jahre Revue passieren zu lassen, jeder hat seine speziellen Erinnerungen gespeichert. Weißt Du noch in … da haben wir doch …, erzählen wir uns gegenseitig unsere Lieblingserlebnisse der vergangenen Reise. Genau 2078 Tage leben wir an Bord der Pacific High, rund 30.000sm (55.000km) sind wir gesegelt: von Europa ins Mittelmeer, über den Atlantik, die Inseln der Karibik abgeklappert, die USA Ostküste hinauf bis nach Kanada, Kuba, Mittelamerika, den Panama Kanal durchquert, Galapagos, Französisch Polynesien, Samoa, Fiji, Neukaledonien und jetzt Australien – genug Stoff für viele Geschichten!