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27.03.2012 Havanna

Havanna: eine Stadt der Kontraste. Hier treffen kubanische Lebensfreude auf deprimierende Ausweglosigkeit, 5-Sterne Hotels westlichen Standards auf einsturzgefährdete Ruinen, die quirligen Rhythmen der vielen Straßenbands auf den Lärm und Gestank der vielen uralt Oldtimern, der Reichtum der Touristen auf die bittere Armut der vielen in Havanna illegal lebenden Kubaner… Havanna hat uns fasziniert, begeistert, in seinen Bann gezogen, aber auch schockiert und nachdenklich gemacht…

Am Samstag Morgen um 9:00 Uhr wartet pünktlich unser Taxi vor der Marina. Wir hatten uns für ein privates Taxi entschieden, weil es die schnellste, günstigste und flexibelste Möglichkeit ist in Kuba zu reisen. Es ist deutlich günstiger für uns vier als die Fahrt mit dem Bus oder der Bahn. 50 CUC (ca. 40 EUR) kostet uns die 3-stündige Fahrt nach Havanna. Die gut 250 km lange Strecke führt uns zunächst über Landstraßen, dann über eine 6-spurige Autobahn nach Havanna. Unser freundlicher Fahrer Joel fährt behandelt seinen alten VW Passat Diesel äußerst umsichtig und bringt uns sicher nach Havanna (es gibt keine Sicherheitsgurte oder Kopfstützen). Zunächst fahren wir durch einige kleinere Ortschaften, dann passieren wir endlose Zuckerrohrfelder die sich zu beiden Seiten der Landstraße erstrecken. Joel macht uns auf Erntemaschinen aufmerksam, unseren Mähdreschern nicht unähnlich, die sich ihren Weg durch die Zuckerrohrfelder fressen. Wir fahren an Citrus Plantagen entlang, sehen Salat- und Gemüse- Felder. Die dunkle rötlich-braune kubanische Erde scheint sehr fruchtbar zu sein. Später geht die Landschaft in eine Gras und Buschlandschaft über: überall sehen wir Rinder und Kühe, ohne erkennbare Zäune, frei grasen. Ungefähr auf halber Strecke führt die Autobahn durch einen dschungelartigen Palmenwald. Kurz vor Havanna wird es ein wenig hügeliger, dann sehen wir auch schon den Hafen und die Altstadt. Außer uns sind nicht viele Fahrzeuge unterwegs, so kann Joel die alten Stoßdämpfer und Reifen seines Passats schonen und immer die beste Spur, sprich die mit den wenigsten Schlaglöchern, wählen. Die anderen Fahrzeuge sind hauptsächlich alte Busse und LKWs, Pferdewagen und Gespanne, klapprige Oldtimer aus den 50ern, Radfahrer, wenige andere Taxis und Mietwagen mit Touristen – all dies wohlgemerkt auf einer 6-spurigen Autobahn, selbst Fußgänger und Obstverkäufer sind keine Seltenheit. In Havanna ist der Verkehr dichter und Joel fährt uns zielstrebig durch die engen Gassen von Habana Vieja der Altstadt direkt am Hafen. Wir hatten mit Dairon dem Taxivermittler vereinbart, dass wir selbst eine Übernachtungsmöglichkeit in Havanna suchen und uns der Taxifahrer in der Altstadt absetzt. Es gibt zwei Möglichkeiten in Kuba zu übernachten: entweder in Hotels (Doppelzimmer in guten Hotels westlichen Standards kosten in Havanna 200 CUC aufwärts) oder in einer „Casa Particular“ in privaten vermieteten Fremdenzimmern (der staatlich festgelegte Einheitspreis für diese Zimmer beträgt 25 CUC). Wir hatten zwar einige Empfehlungen von anderen Seglern bekommen, wollten uns aber selbst ein Fremdenzimmer suchen. Anstatt uns irgendwo abzusetzen fährt uns Joel geduldig von einer „Casa Particular“ zur anderen. Die ersten vier wollen uns nicht so recht gefallen, erst in einem anderen Stadtteil zwischen dem Prachtboulevard „Paseo del Prado“ und der Uferpromenade „Malecon“ werden wir fündig: bei unserer Vermieterin Isabel Gomez Duran fühlen wir uns auf Anhieb wohl und gut aufgehoben. Das ganze Haus ist neu renoviert, sehr sauber, die Zimmer freundlich in warmen Farbtönen gestrichen, Unsere beiden Zimmer haben jeweils ein eigenes neues Bad mit Dusche: abgemacht, hier bleiben wir! Um kurz nach 12:00 Uhr stürzen wir uns bereits in das quirlige Stadtleben von Havanna. Helena und Kolja stapfen brav 6 Stunden lang mit uns durch die Prachtalleen und vielen kleinen Gassen von Havanna. Es ist heiß und stickig und die vielen Autoabgase nehmen einem teilweise den Atem. Wir machen daher öfters in einem der vielen Bistros, Restaurants, Bäckereien oder Eisdielen halt, um uns bei einem kühlen Getränk oder einem Eis zu erfrischen. Gegen 6 Uhr abends kehren wir müde in unser heimeliges „Casa Particular“ zurück und ruhen uns eine Stunde aus, bevor wir noch einmal zum Abendessen aufbrechen. Wir essen hervorragend im Restaurant des Hotels „Saratonga“ am Nordende des Parque Central, von dessen Dachterasse im 8ten Stock wir schon am Nachmittag einen tollen Rundblick über Havanna genossen hatten. Auf dem Rückweg durch das nächtliche Havanna ist es einer dieser glücklichen Zufälle, der uns zu einem unser schönsten Erlebnisse in Havanna verhilft: Helena und Anita bleiben vor dem hell erleuchteten Portal des „Palacio de los Patrimonios“ (Hochzeitspalast = Standesamt) stehen und werden von einer freundlichen Aufseherin eingeladen den Prachtbau von innen zu besichtigen. Wir werden über Marmortreppen, die mit dicken roten Teppichen belegt sind, durch prächtige Korridore und Säle geführt. Das Trauzimmer ist wunderschön, noch beeindruckender ist der reich verzierte Konzertsaal im obersten Stockwerk des 1840 erbauten ehemaligen Gesellschaftshaus der spanischen Gemeinde von Havanna. Morgen Abend um 18:00 Uhr findet hier ein klassisches Konzert statt zu dem uns die eifrige Aufseherin herzlich einlädt… An den beiden darauf folgenden Tagen sind wir vier von früh morgens bis spät abends in der Altstadt Havannas unterwegs. Auch wenn sie nicht immer begeistert sind so viele alte Gemäuer und Sehenswürdigkeiten anschauen zu müssen, halten Helena und Kolja doch tapfer mit. Wir alle vier sind immer wieder von den vielen neu renovierten und in leuchtenden Farben gestrichenen Prachtbauten und Palästen begeistert, von dehnen es eine Vielzahl in Havanna gibt. Nicht selten reihen sich jedoch direkt daneben völlig verkommene, abbruchreife Häuser an. Eingebrochene Dächer, zerstörte Treppen, abgebrochene Balkone, Löcher in den Wänden anstatt Fenster kennzeichnen diese Ruinen. Oft fragen wir uns dann: „Hier kann doch wirklich niemand mehr wohnen?“ und entdecken dann doch irgendwo Wäsche die zum trocknen aufgehängt wurde, oder spielende Kinder auf dem Dach. Man kann alle Sehenswürdigkeiten in Havanna Vieja und Centro gut zu Fuß erreichen oder sich zwischendurch zum Ausruhen eine Fahrt mit dem Rikscha Fahrrad oder einem Oldtimer Taxi, die an jeder Straßenecke warten gönnen. Besonders gefallen haben uns die „Plaza de la Catedral“, „Plaza de San Francisco“, der „Plaza Vieja“ und natürlich der „Parque Central“ mit dem Capitol. Am lebhaftesten geht es auf der “Calle Obispo“ zu, die von dem Restaurant „El Floredita“ quer durch „Habana Vieja“ bis zur „Plaza de Armas“ führt. Besonders gern haben wir auch im „Palacio San Felipe y Santiago de Bejucal“ Rast gemacht und im Restaurant im Innenhof einen Snack gegessen. Einen Abstecher Wert ist mit Sicherheit auch die zweite „Hemingway Bar“ „La Boteguita del Medio“ hinter der „Plaza de la Catedral“. Abends kann man gemütlich zusammen mit vielen Kubanern am Meer entlang über den Malecon flanieren. Ein Höhepunkt war für Anita und mich mit Sicherheit das Konzert des Kubanischen Pianisten Aldo Lopez-Gavilan Junco im „Palacio de los Patrimonios“. Der erste Teil des Konzerts war klassischen Komponisten wie Brahms, Debussy, Rachmaninow und Prokofiev gewidmet, während er nach der Pause zusammen mit dem Saxofonisten Roberto Martinez eigene Werke, die mehr im Bereich Jazz und Blues angesiedelt waren, vortrug. Beides hat uns und den anderen ausschließlich kubanischen Zuhörern in dem voll besetzten Saal gut gefallen. Für die Kinder war bestimmt ein kleines ausgemergeltes Kätzchen , das wir am Vormittag auf der „Palza de Armas“ aufgelesen hatten ihr Höhepunkt. Wie schade, dass wir es nicht mit an Bord nehmen konnten! Am Nachmittag des dritten Tages wartete schon pünktlich unser Taxifahrer vor dem „Casa Particular“ auf uns…