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09.03.2012 Santiago de Cuba

Gut ausgeschlafen wachen wir nach einer ruhigen Nacht in der Marina Santiago de Cuba auf. Es ist schon lustig wie schnell sich die Ansprüche reduzieren: wir sind glücklich an diesem im Bau befindlichen, dreckigen Betonsteg ohne Wasser und Strom zu liegen und nicht, wie so mancher andere Segler, auf dem schlechten Ankergrund immer wieder zu slippen und sich alle paar Stunden verlegen zu müssen. Es gibt scheinbar ein paar Ankerplätze tiefer in der Bucht, die besseren Halt bieten, aber dort ist Ankern verboten, weil der Zoll uns „gefährliche ausländische Segler“ dort nicht direkt im Blickfeld hat und wir nicht voll und ganz unter seiner Kontrolle sind. Besonders ungerecht an der Sache ist, dass man hier in Santiago de Cuba auch für das Ankern zahlen muss: 0,20 CUC pro Fuss, während wir am Steg 0,45 CUC berappen müssen. Da es tagsüber doch recht heiß wird (über 30 Grad) beginnen Helena und Kolja früh mit der Schule. Derweil bearbeiten Anita und ich mit Hammer und Kneifzange etliche Nägel und spitze Drähte die aus dem Steg herausragen um zu verhindern, dass unsere Fender durchlöchert werden und platzen. Auch haben wir leider einen ersten Kratzer im Gelcoat ab bekommen… Gegen 11:00 Uhr fahren wir mit dem Bus in die Altstadt von Santiago de Cuba die ca. 12km von der Marina entfernt ist. Was uns im Bus auffällt sind Jugendliche, die spontan ihren Sitzplätz älteren Passagieren oder Frauen mit Kindern anbieten. Dank der vielen Ratschläge und Tipps der anderen Segler wissen wir wo wir aussteigen müssen und finden uns auch gut zurecht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Anzahl der Sehenswürdigkeiten sehr überschaubar ist. Das einzige wirklich renovierte und neu gestrichene Gebäude ist die Bezirksverwaltung (Palacio Provincal). Viele andere ehemaligen Prunkgebäude wie die Kathedrale, das Bacardi Museum oder das Hotel Casa Granda sind nicht mehr als Schatten dieser ehemals blühenden und grandiosen Stadt. Viele andere Gebäude, wie zum Beispiel das Hotel Imperial, sind nur noch Ruinen oder warten als entkernte, brüchige Fassaden auf ihren endgültigen Zerfall. Ganz im Kontrast dazu fällt die Kleidung der Kubaner uns positiv auf: sie sind sehr gut, sauber und ordentlich gekleidet – teilweise mit der neuesten amerikanischen Mode. Designer T-Shirts (von Guess) mit Aufdrucken wie Surf Malibu Beach, New York, enge Jeans und auch modische Accessoires sind keine Seltenheit. Wir werden sehr freundlich empfangen, es wird gewunken, gelacht und hinter unserem Rücken auch nette Kommentare über uns ausgetauscht. Ich hole mein völlig eingerostetes Spanisch wieder hervor und genieße es mich mit vielen freundlichen, spontanen Bekanntschaften zu unterhalten. Überall spielt Musik, oft aus Lautsprechern, aber an vielen Plätzen ist es auch eine ganze Combo die live musiziert. Wir erleben ein lebensfrohes, quirliges Treiben rund um die beiden Hauptplätze im Zentrum der Stadt. Nach einigen Stunden herumlaufen in dieser trockenen Hitze bekommen wir doch mächtig Durst und Hunger. Zuerst versuchen wir unser Glück in einigen Restaurants, die uns aber touristisch anmuten und in Anbetracht der Qualität der Speisen auch nicht billig sind (8 – 12 CUC für ein Hauptgericht, 1,5 bis 2,5 CUC für ein Getränk, für uns vier ca. 70 CUC gut 55 EUR für ein mittelmäßiges Mittagessen). Wir suchen weiter und werden, in einer belebten Seitenstraße, auf eine großen Gruppe Kubaner aufmerksam, die vor einer Tür Schlange steht. Irgendwo hängt ein kleines buntes Schild mit der verheißungsvollen Aufschrift: Pizza. Ich frage den Türsteher wie lange es dauert wenn wir uns in der Schlange anstellen. Hilfsbereit und freundlich nimmt er uns beiseite und führt uns zu einem Nebeneingang, der zu einer Bar führt, die Teil des „italienischen Restaurants ist“. Wir bekommen gleich zwei nette kleine Tische zugewiesen, auf denen innerhalb von wenigen Minuten der Barkeeper uns drei eiskalte Cola (aus Kuba) und ein frisches Bier gezaubert hat. Dazu bestellen wir vier Pizza, die zwar nicht atemberaubend, aber ganz OK sind. Erst jetzt fällt uns auf, dass wir die einzigen Touristen in dem Lokal sind. Wir freunden uns mit dem Barkeeper und besonders mit unseren Tischnachbarn an. Lawrence ist ein älterer Maler mit charismatischem Gesicht. Während er gemütlich an seinem Minz-Likör nippt erzählt er uns von seiner Malerei, seiner Familie und seinem Leben. Stolz zeigt er uns Fotos von seiner Familie, seinem Atelier und seinen Bildern. Ein paar Colas, Biere und Minz-Liköre später verabschieden wir uns von einem gebildeten und stolzen Kubaner, der wohl die Entbehrungen, die im sein Land auferlegt kennt, aber der seinen Lebensmut und seine Lebensfreude nie verloren hat. Wir laufen weiter durch Santiago de Cuba Richtung Hafen, nehmen aber einen Umweg durch einfache Wohnviertel. Wir erleben einfachste Lebensverhältnisse, die Häuser scheinen seit Generationen keinen neuen Anstrich, Verputz oder eine Renovierung irgendwelcher Art gesehen zu haben. Wir erreichen den Hafen von Santiago. Am Pier hat ein kleines Kreuzfahrtschiff festgemacht und einige Handelsschiffe liegen vor Anker. Am nahegelegenen Markt, es gibt ca. 20 Marktstände die alle genau das gleiche Gemüse verkaufen. Wir erstehen noch ein paar Gurken und Tomaten bevor wir zurück zur Marina fahren. Wir werden zwar etwas über den Tisch gezogen, zahlen aber gerne den überhöhten Preis, da es sich für uns um Cent Beträge handelt. Für den Rückweg wählen wir eines der alten kubanischen Taxis: einen amerikanischen Chevrolet von 1954! Der Wagen ist der ganze Stolz von Isidiro unserem Taxista und auch Helena und Kolja sind ganz begeistert in diesem Oldtimer zu fahren. „… der ist ja 10 Jahre älter als Papa!“ staunen sie. Ich bin beeindruckt wie gekonnt Isidiro diese uralt Technik ´beherrscht und wie geschmeidig wir durch den wenigen Verkehr von Santiago gleiten. Besonders der Anlasser funktioniert tadellos: immer wenn es abschüssig ist, schaltet Isidiro den Motor aus um Sprit zu sparen. An einer Straßenkreuzung verkauft ein älterer Herr Radieschen direkt aus einer Schubkarre, ich bitte Isidiro kurz anzuhalten, springe aus dem Wagen und erstehe zwei Bunt davon. Unser Taxista nickt lachend. „Como un Kubano!“ meint er anerkennend: wenn man etwas Frisches sieht muss man es gleich mitnehmen, wer weiß ob es Morgen noch etwas gibt. An der Marina angekommen zahle ich Isidiro den vollen Fahrpreis und nicht den heruntergehandelten. Seine Familie braucht die zwei Euro Differenz bestimmt nötiger als wir. Zurück auf der Pacific High ruhen wir uns erst einmal von dem langen heißen Besichtigungstag aus, bevor uns Peter, Kay, Arthur und Mamiko besuchen. Es wird ein langer geselliger Abend!