Fern ab von den üblichen Charter- und auch Fahrtenseglerrouten liegt ein “Hidden Treasure”, wie St. Eustatia oder St. Statia kurz genannt, sich selbst bezeichnet. Und sie haben recht. St. Eustatia hat mit Oranjestad eine Hauptstadt, die sich beträchtlich von den bisher kennengelernten Karibikstädten unterscheidet. Aber erst mal der Reihe nach:
Nach kurzen Übernachtstop in St. Kitts, da uns leider der Wind im Stich gelassen hat, sind wir am gestern recht früh losgesegelt mit gutem Wind nach St. Eustatia. Vor Oranjestad sind wir an eine Boje gegangen. Diese sind in den obligatorischen Marine Park Gebühren (10 US $ pro Tag, 30 US $ pro Woche) includiert. Zunächst mußten wir noch die Schule fertigmachen, die wir schon während dem Segeln begonnen hatten. Um 14.30 Uhr brachen wir zum Einklarieren auf und wollten uns mit den Kindern Oranjestad ansehen. Unser Dinghy ketteten wir diesmal nicht an. Im Hafenbüro wollten sie 20 US $ Gebühren oder
wahlweise EUR 20,–. Hmmm, da würden wir ja viel mehr bezahlen…so vereinbarten wir, daß wir später bezahlen, wenn wir auf der Bank gewechselt haben. Oranjestadt hat die Lower Town, diese liegt direkt am Ufer und besteht aus vielen Steinruinen und auch einigen renovierten Gebäuden. Kaum zu glauben, daß St. Eustatia im 18. Jhrd. mit Oranjestad einen der größten und geschäftigsten Hafen der Welt hatte.
Waffenschmuggel und Umschlagsplatz für Waren aller Art (wozu hauptsächlich auch Sklaven zählten) machte Oranjestad bekannt und sagenhaft reich. Noch heute spricht man vom Goldenen Zeitalter. Heute zeugen davon nur noch die Steinruinen der Handelshäuser, die sich das Meer Stein für Stein zurückholt. Man kann sich nur schwer vorstellen, daß die Bucht voller Schiffe und die Straßen voller Geschäftigkeit waren. Heute ist alles sehr ruhig und es verirren sich nur eine Handvoll Touristen hierher. Über die Slave Road geht es eine steile lange (so kam es mir zumindest in der Hitze vor)
Straße nach oben in die eigentliche Stadt (Upper Town). Wobei Stadt vorsichtig gesagt etwas übertrieben ist. Die ganze Insel hat etwa 4000 Einwohner. Oranjestad ist liebevoll renoviert, es ist sauber und aufgeräumt, so ist es nicht überall in der Karibik. Die Häuser gestrichen, die Vorgärten gepflegt. Das Fort zeugt von den vergangenen Zeiten, von hier aus wurde das amerikanische Schiff “Andrew Doria” zum ersten Mal von einer anderen Nation mit Salutschüssen begrüßt. Für Amerika, das sich mitten im Unabhängigkeitskrieg befand ein großer Erfolg. Dafür zogen sich die Holländer den Zorn der Briten zu und so wurde wieder mal um St. Eustatia gekämpft. 22 x hat die Insel in ihrer Geschichte den Besitzer gewechselt. Die Unabhängigkeit Amerikas leitete den Niedergang der Bedeutung von St. Eustatia ein, da keine Waffen mehr geschmuggelt werden mußten und die neu gegründete Nation Amerika sich andere Handelswege suchte.
Heute lebt St. Eustatia von dem riesigen Ölumschlageplatz, der nicht gerade zur Verschönerung der Insel beiträgt. Immerhin so geschickt gebaut, daß von der Bucht aus nichts zu sehen ist ausser den riesigen Öltankern. Wie in einem Führer beschrieben ist, hat St. Eustatia ebenso viele Restaurant wie New York Rechtsanwälte und daran ist etwas dran. Kaum zu verstehen, wie so viele Restaurants überleben können. Überhaupt ist es für uns schwer vorzustellen, so abgeschieden zu leben. Es gibt keine Fährverbindung, nur Flüge nach St. Martin. Und wer fliegt schon mal eben, um sich eine neue Hose zu kaufen oder etwas Besonderes zum Essen. Die zwei Damen vom Museum haben uns auch erklärt, daß es in den letzten Jahren vermehrt zu Problemen mit den Jugendlichen gekommen ist. Über Zeitungen und vor allem das Internet bekommen sie mit, wie ihre Altersgenossen in den Niederlanden leben, welche Freiheiten und Möglichkeiten sie haben. Daß sich da so mancher von den Jugendlichen benachteiligt fühlt ist nachzuvollziehen. Aber auch die Ehe zwischen Homosexuellen ist in St. Eustatia wie in den Niederlanden möglich und damit haben viele Einwohner, streng katholisch erzogen, ihre Probleme. So birgt diese schöne Insel nicht sichtbar viele Probleme.
Gerade der innere Kern von Oranjestadt ist renoviert, alles ordentlich und die Hausbesitzer bemühen sich sichtlich, ihre Schmuckstücke auch zu pflegen. Das Fort Oranje strahlt in neuem Glanz und die Bevölkerung ist wieder mal ungeheuer freundlich. Als wir in einer Bäckerei etwas zu trinken kaufen wollten, aber leider weder Niederländische Antillengulden noch US $ unser Eigen nennen konnten, wurde mit der Bank telefoniert um den Wechselkurs für den EUR festzustellen und so konnten wir unsere Getränke mit einem 5,– EUR-Schein bezahlen. Wechselgeld in Gulden wollten wir nicht annehmen, so bekamen wir noch eine Riesentüte mit frisch gebackenem Brot mit auf den Weg. Im Garten der Dutch Reformed Church, von der leider nur noch die Außenmauern und ein renovierter Turm steht, ruhten wir uns im Schatten ein wenig aus und studierten die Inschriften der Grabmale, die meisten davon aus dem 18. Jhrd. Auf unserem Weg zurück trennten sich unsere Wege und die Kinder gingen auf kurzem Wege alleine zum Dinghy zurück, da sie sich Sorgen machten, es könnte geklaut werden, nachdem wir eine Vermisstenmeldung eines Fahrrades gesehen haben. Jetzt wiederum machte sich Klaus Sorgen, da unsere Kinder ganz alleine auf einer fremden Insel unterwegs sind. Ich lachte ihn aus, aber als wir später am Dinghy ankamen und von den Kindern weit und breit keine Spur war machte ich mir Sorgen. Klaus ging sie suchen, derweil ich beim Dinghy wartete und wenig später kam er auch schon wieder mit den Kindern zurück. Er hatte sie beim Ameisenbeobachten gefunden. Froh, alle wieder beinander zu sein, fuhren wir im Sonnenuntergang zu unserem schönen Schiff zurück und genossen den obligatorischen Sundowner.