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16.11.2010 Norfolk – Charleston

Tag 1: Samstag, 13ter November

Der Törnplanung von Norfolk nach Charleston haben wir besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Wir segeln dabei um das Cape Hatteras herum, das wegen seiner exponierten Lage und den beiden atlantischen Hauptströmungen die hier aufeinandertreffen (die Labradorströmung und der Golfstrom) sehr rau und unangenehm sein kann.  Viele Segler warnen von dem Cape und mahnen zur Vorsicht. Viel lernen konnten wir von Freunden, die bereits vor uns diese Passage gesegelt sind und uns via Mail, Telefon oder Blog wertvolle Tipps gegeben haben. An dieser Stelle einmal vielen Dank an Euch alle! So hatten zum Beispiel unsere Freunde von der Casulo eine mehr als abenteuerliche Reise uns Cape: sie hatten versucht mit ihrer Lagoon 420 den Intracoastal Waterway zu nehmen um nach 150 gefahrenen Meilen nachts um 2:00 Uhr an einer Brücke hängen zu bleiben. Obwohl sie sogar versuchten das Toplicht abzumontieren passten sie um wenige Zentimeter nicht durch und mussten wieder zurück und um das Cape herum. Von ihnen wie auch von Anton von der Jewel bekamen wir wertvolle Hinweise wo momentan der Golfstrom am stärksten ist und in welcher Entfernung vom Ufer wir am besten segeln sollen. Marlene und Bert von der Heimkehr Hamburg hatten auf dem Intracoastal Waterway auch Ihre besonderen Erfahrungen mit Brücken, Untiefen und wechselnden Sandbänken gemacht, sind aber durchgekommen und treffen (hoffentlich) heute in Charleston ein. Auch Claudia und Edi von der Cul8r sprich „Seeyoulater“ sind schon da – wir werden wohl heute etwas zusammen unternehmen.

Aber zurück zu unserer Planung: dank all dieser Hinweise und unser eigenen Erfahrungen auf dem Weg nach Norden Ende Juni diesen Jahres haben wir beschlossen ein ruhiges Wetterfenster abzuwarten und lieber etwas zu motoren als extreme Wind und Wellenbedingungen zu riskieren. Sonntag (15.11) soll das Wetter rund ums Cape sonnig und ruhig sein, also müssen wir Samstag Vormittag von Norfolk starten um (vielleicht) am Dienstag Charleston zu erreichen, bevor sich das Wetter verschlechtert und ab Dienstag Abend wieder ein unangenehm kräftiger Südwestwind weht.

Kolja fotografiert eifrig die Schiffe im Hafen

Gegen 9:30 Uhr verlassen wir Norfolk und fahren noch einmal für Kolja ganz nah an der Wisconsin und den vielen anderen (Militär) Schiffen im Hafen vorbei.

Wie kommen den diese beiden Fähren aus Hawaii nach Norfolk?

Wir laufen aus, die Zim Luanda, ein knapp 300m langer Frachter, läuft ein

Knapp zwei Stunden dauert es bis wir endlich hinter Fort Monroe die Segel setzen können und ruhe an Bord herrscht. Bei wechselnden Winden aus Norden segeln wir zur Chesapeake Bay hinaus und dann die Küste von Virginia, später North Carolina hinunter. Die See ist ruppig. Sich überlagernde Wellen schlagen hart gegen die Rümpfe, zum einen haben wir Schwell von einem abziehenden Sturm aus Nordwest der sich im flachen Küstengewässer zu einer ordentlichen Grundsee steigert, zum anderen steile kurze Wellen aus Nord hervorgerufen durch den aktuellen Wind um 20kn. Wir haben – wieder einmal – strahlenden Sonnenschein, ist um die 15 Grad warm, die sich bei den Winden aber eher wie 5 bis 10 Grad anfühlen. Anita und ich sitzen abwechselnd auf der Fly, eingepackt in warmer Unterwäsche, zwei Pullovern und dicker Segelkleidung und trinken heißen Tee oder Kaffee. Ich freue mich wieder einmal über meinen echten „Island Sheppard Pullover“, den ich vor einigen Jahren aus Island mitgebracht habe: die Wolle kratzt zwar fürchterlich aber die Wärme ist legendär. Auch wenn es jetzt vielleicht anders klingt: das Segeln macht Dank dem traumhaften Wetter Spaß, wir müssten ja nicht auf der Fly sitzen, sondern könnten die Pacific High auch von Innen steuern… Nach dem Abendessen (frische Nudeln mit Hummer gefüllt aus Annapolis, die sich Dank 0 Grad Fach im Kühlschrank so lange halten) frischt der Wind weiter auf und wir rauschen zunächst mit 8 bis 10kn Richtung Cape Hatteras. Ich habe die erste Nachwache übernommen und muss ab Mitternacht (leider) massiv die Segel reffen, da wir ansonsten zu früh am Kap währen.

Wir rauschen mit 8 bis 10kn in den Sonnenuntergang

Tag 2: Sonntag, 14ter November

Verlassnener Leuchtturm am Cape Hatteras

Gegen Morgen wird der Wind schwächer und bei Tageslicht gegen 8:30 Uhr erreichen wir Cape Hatteras. Die Wellen brechen sich etliche Meter hoch an den Diamond Shells – wir halten einen ordentlichen Respektabstand. Kaum haben wir das Kap umrundet sind die unangenehmen Wellen schlagartig weg und wir segeln gemütlich mit 5 bis 6kn bei achterlichen Winden zum Cape Lookout. Bei der ruppigen See am Tag zuvor war hatten die Kinder schulfrei, heute werden die Hefte zum Leidwesen unserer Kinder und Bücher wieder hervorgeholt. Aussser Schule lesen wir viel, spielen miteinander (das neue Spiel „Risiko“ ist momentan angesagt – Helena erfinden bereits neue Regeln). Es ist deutlich wärmer geworden: wir tragen keine dicken Segeljacken mehr und nur noch einen Pullover. Wir können meistens segeln, unter 5kn Fahrt schalten wir einen Motor dazu. Bei 1600 bis 1800 U/min brauchen wir 2 bis 3l. Diesel, das ist gut zu verkraften. Nur die Laune des Käpt’n verschlechtert sich dann immer…  Seit Cape Hatteras haben uns bereits drei Mal Delfine besucht: wie sehr hatten wir sie vermisst!

Endlich wieder Delfine: wie haben wir Euch vermisst!

Es muss einfach noch ein Delfin Foto ins Blog!

Sonnenuntergang am zweiten Abend

Gegen Abend frischt der Wind wieder auf um ab Mitternacht langsam komplett in eine Flaute überzugehen.

Tag 3: Montag, 15ter November

Es ist warm: unglaublich warm!

Spiegelglatte See Montag Vormittags

Vorgestern noch im Zwiebel-Look mit dicken Jacken und Pullovern sitzen wir heute in Shorts und T-Shirt Karibik-Like auf der Flybridge! Helena und Kolja springen auf den Trampolinen und rennen ums ganze Boot. Schon am Morgen hatten wir 20 Grad die sich dann Nachmittags auf knapp 30 Grad (im Schatten!) steigern – wir schwitzen!

Segeln in Shorts und T-Shirt: wie haben wir das vermisst!

Es herrscht nach wie vor Flaute, wir laufen unter Motor 6kn damit wir am Dienstag Vormittag Charleston noch vor dem angekündigten Sturm erreichen. Diesmal ärgert sich nicht einmal der Käpt’n: wir freuen uns über – und nutzen das traumhafte warme Wetter. Anita wäscht und trocknet acht (8!) Maschinen Wäsche, die sich in der feuchtkalten Chesapeake Bay angesammelt hatten.

Bunt ist die Reling der Pacific High: hier hängt die 6te Maschine Wäsche von Anita

Die Spülmaschine läuft und wir machen knapp tausend Liter Frischwasser mit dem Watermaker. Alles läuft über Inverter, Strom haben wir Dank den Solarzellen und den starken Lichtmaschinen an den Motoren genug. Am späten Nachmittag kommt wieder Wind auf und bei Sonnenuntergang verheißt der Abendhimmel mit seinen mächtigen Cirrus und Cumulus Wolken eine Wetterveränderung. Ich habe ein ungutes Gefühl: das schaut nach viel Wind aus. Ob der Sturm früher kommt als vorhergesagt?!

Abendhimmel am Montag: welches Wetter uns diese Wolken wohl bringen?

Seit unserem Abenteuer Ende Juni beim Einlaufen in die Bucht von New York sind wir noch vorsichtiger geworden. Damals hatten sich nach einem schwül-heißen Sommertag mächtige Wärmegewitter gebildet (über dreißig schwere Gewitter wurden damals zwischen Cape May und Long Island vom amerikanischen Wetterdienst gemeldet). Unsere befreundete Familie von der Charade hatte es böse erwischt: Groß und Fock zerrissen, Rigg schwer geschädigt. Der Wetterbericht sagt für die Nacht 10kn Wind aus Südwest voraus. Ich funke sicherhaltshalber die mit 20kn (Neid!) vorbeirauschende Motoryacht „Wanderer“ an, die meine Wettervorhersagen bestätigt. Ich werde trotzdem mein merkwürdiges Gefühl während meiner ersten Nachtwache nicht los und wir segeln erst einmal übervorsichtig nur unter Fock bei laufendem Motor weiter. Gegen 21:00 Uhr, nach drei Stunden konstantem Wind um 12kn setze ich doch das Großsegel, aber im dritten Reff. Zum einen sind wir damit immer noch zu schnell, wir wollen die Einfahrt nach Charleston erst am Morgen beim ersten Tageslicht erreichen, zum anderen ist da immer noch mein ungutes Gefühl in der Magengegend… Kaum ist das Groß gesetzt und der Motor aus frischt der Wind auf und die See wird wieder ruppig. Ich muss die Fock laufend verkleinern, da wir nur unter 6kn segeln dürfen um nicht zu früh anzukommen. Zwischen 1:00 Uhr und 2:00 Uhr nachts kommt Anita auf die Fly um meine Nachtwache abzulösen. Es ist stockfinster, auf dem Radar zeichnen sich schwere Gewitterwolken ab. Wir segeln 50 Grad am Wind (25 bis 30kn) gegen 4m Welle. Trotz Groß im dritten Reff und nur einem Handtuch von Fock laufen wir 7kn gegen die ruppige See, ich bleibe erst einmal mit wach um mich später dann doch zum schlafen auf die Couch im Salon zu legen. Kurz vor halb vier Uhr nachts werde ich wach, der Wind pfeift, die Wellen schlagen. Mein Blick wandert zum Radarbild auf dem Laptop der im Salon mitläuft: ein guter Teil des Bildschirms ist mit einer fetten Gewitterwolke (8sm = 14km Durchmesser) ausgefüllt, die mit ca. 30kn direkt auf uns zukommt. Ich will gerade aufstehen, als die Schiebetüre zum Cockpit aufgeschoben wird: es ist Anita, die Gewitterwolke schon länger verfolgt und mich holen will. Wir beschließen sicherhaltshalber die Segel komplett zu reffen (wir sind nun einmal vorsichtig). Kaum geschehen haben wir 40kn Wind und es regnet in Kübeln – wir sind froh uns trocken in den Salon zurückziehen zu können. Draußen tobt die See, es schlagen Wellen aus allen Richtungen gegen die Pacific High wir motoren langsam mit 4kn. 5sm neben uns stampft auch ein 160m langer Tanker durch die See Richtung Charleston den wir auf Radar, AIS und Funk verfolgen. Beim ersten Morgengrauen gegen 6:00 Uhr ist der Spuk vorbei: der Regen hat aufgehört und der immer noch gut 20 Grad warme Südwind trocknet schnell die Polster auf der Fly.

Feuriger Himmel bei Sonnenausgang vor Charleston

Wir setzen wieder die Segel und sind um 7:00 Uhr an der Einfahrt nach Charleston. Unter Fock und Motor fahren wir bei Rückenwind den ausgebaggerten Kanal entlang gegen die auslaufende Strömung. Es baut sich eine ungenehme Welle auf und wir müssen den zweiten Motor anwerfen. Trotz 20kn Wind und zwei Motoren 2/3 Kraft voraus stampfen wir nur mit 4,5kn gegen die auslaufende Strömung und Welle. Eine Stunde später sind wir endlich in der Bucht von Charleston und werden mit spiegelglattem Wasser und nur noch knapp 10kn Wind belohnt. Um 9:30 Uhr, exakt drei Tage nach dem Auslaufen in Norfolk, fällt der Anker vor der Charleston City Marina.