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11.11.2010 Segeln in der Chesapeakebay

Ich fühle mich in Märchen und Sagenbücher meiner Jugend zurückversetzt: die Helden ziehen durch die Welten und müssen dabei große Abenteuer bestehen. Immer wieder stranden sie an wunderschönen Orten und werden dort auf teils magische Weise festgehalten. Ungefähr so entwickelt sich auch unsere Segelei die USA Ostküste hinunter: immer wieder verweilen wir länger an Orten obwohl uns eigentlich genau bewusst ist, dass wir längst hätten weiterziehen sollen…

Spa Creek frühmorgens

So auch wieder in Annapolis: ursprünglich als zwei bis drei Tages Stopp geplant um das hübsche Städtchen anzuschauen und die bestellten Ersatzteile bei Freunden abzuholen, haben uns Washington und Annapolis mit ihren bunt gefärbten herbstlichen Wäldern und besonders unser geschützter und malerischer Ankerplatz im Spa Creek, in den Bann gezogen. Außerdem haben wir neue Freunde gewonnen (Amelia und ihre Familie, Anita’s beste Grundschulfreundin Carolin, Henner und ihre Töchter Isabel und Julia …) und alte wieder getroffen (Anton und Natalia von der Jewel, die Casulo war auch ganz in der Nähe …). Zum Schluss sind noch Imke und Ulli von der Eiland und Sabine und Hannes von der Cayenne eingetroffen mit denen wir zwei schöne Tage verbracht haben.

Von links nach rechts: Ulli, Anita, Imke, Sabine und Hannes
Von links nach rechts: Ulli, Anita, Imke, Sabine und Hannes

Während dem letzten gemütlichen Abend an Bord der Pacific High hätten sie uns fast überredet mit ihnen zusammen nach Washington zu segeln. Der viele Wein hatte, zumindest bei mir, sicherlich auch eine beflügelnde Wirkung…

Die war aber am nächsten Morgen um kurz nach 6:00 Uhr bei 5 Grad Außentemperatur wieder verflogen. Wir waren jetzt wirklich lange genug hier und hatten auch Washington an fünf Tagen ausgiebig erkundschaftet. Am kommenden Wochenende wartet ein gutes Wetterfenster am Cape Hatteras auf uns – dieses sollten wir wirklich nutzen! So fuhren wir um 7:30 Uhr wieder durch die enge Hebebrücke zum Spa Creek hinaus… verabschiedeten uns herzlich von unseren Freunden die draußen vor dem Hafenbecken geankert hatten und auch gerade dabei waren ihre Anker zu lichten. Bei nördlichen Winden um 18kn konnten wir gleich unseren Parasailor setzen. Dies gestaltete sich komplizierter als geplant: während der ganzen Segelzeit die Ostküste hinauf und hinab hatten wir den Spinnaker nicht genutzt und so war ich ein wenig aus der Übung. Drei Mal mussten wir den Parasailor hochziehen bis ich die Haltepunkte endlich richtig eingehakt hatte und sich der Parasailor majestätisch entfalten konnte: dies ist immer wieder ein toller Anblick, besonders wenn man genau in die niedrig stehende Sonne segelt. Der Spi blieb den ganzen Tag oben. Ein Segeltag wie er kaum schöner sein kann (und das Mitte November!): Wind und Welle von hinten, angenehmer kann man die Chesapeake nicht mehr hinunter segeln. Trotz der (nur) 14 Grad, war es auf der Fly in der Sonne angenehm warm. Viel Zeit zum Lesen, Essen und Kaffee trinken – morgens früh nach dem umständlichen Setzen des Parasailors brachte uns Kolja unaufgefordert zwei dampfende Tassen des heißen Getränkes auf die Fly (habe ich es schon erwähnt: ich liebe meinen Sohn!) und am Nachmittag gab es – wie immer köstlich – Anita’s Cappuccino! Zwischendurch ein paar Filter an den Wassereinlässen gereinigt (wir haben rund ein dutzend Wassereinlässe für Watermaker, Generator, Klimaanlage, Toiletten, etc.), Ölstand an den Maschinen kontrolliert (ich hatte in Annapolis alle Motoren und Antriebe gewartet).  Lange konnten wir noch die Fahrt unserer Freunde auf dem Chartplotter mitverfolgen (AIS sei Dank) und am Funk noch evieles bequatschen. Nachmittags wurde der Wind schwächer und genau an der Einfahrt zum Potomac River bei Sonnenuntergang fiel unser Parasailor wegen mangelndem Wind in sich zusammen: einfacher kann man in nicht bergen.

Unsere Ankerbucht für heute Nacht an der Einfahrt zum Potomac

Anschließend kurz um die Ecke motort und um 18:30 Uhr viel der Anker bei letztem Tageslicht vor im Point Lookout State Park in der Corn Harbor Bucht.

Wir erlebten einen ruhigen Abend in der windstillen Bucht. Zuerst wurden die, von der vielen Segelei hunrgigen Bäuche, gestopft. Wir waren in Annapolis zwei Mal asiatisch Essen gewesen und Helena hatte das “Spicy Honey Chicken” besonders gut geschmeckt. Ich habe es nachgekocht und es ist mir scheinbar nicht ganz misslungen da alle Teller restlos aufgegessen wurden – vielleicht war es aber auch nur der Hunger!? Anschließend spielten Helena, Kolja und ich eine Runde “Risiko” und nach langem harten Kampf gewann Helena die Oberhand und erlangte die Weltherrschaft. Es war doch recht spät geworden und so vielen wir alle schnell in tiefen Schlaf.

Dank der Zeitumstellung viel es uns nicht sonderlich schwer am nächsten Morgen wieder um kurz nach sechs aufzustehen und gegen 7:00 Uhr aus unserer Bucht hinauszusegeln. Unter Groß und Fock im ersten Reff, lieferten wir uns zunächst ein kleines Rennen mit zwei Einrumpfseglern die kurz vor uns gestartet waren. Obwohl die eine ca. 45 Fuß (vielleicht Carbon) Yacht HighTech Segel (Hydranet oder etwas ähnliches) hatte und die Crew sich schwer ins Zeug legte, setzte sich unsere schwere Pacific High (wir sind mittlerweile völlig überladen und liegen bei vollen Treibstoff und Wassertanks wirklich tief im Wasser) souverän durch und wir liessen mit 10kn bis 12kn Geschwindigkeit die beiden hinter uns. In drei Stunden segelten wir einen Vorsprung von ca. 6sm heraus: unglaublich der Geschwindigkeitsvorteil selbst von einem schweren Fahrtenkatamaran… Beim Setzen des Parasailor probierten wir diesmal etwas Neues aus, dass wir von anderen Seglern gehört hatten: wir ließen das Groß stehen (im zweiten Reff) und setzen den Parasailor davor. Bis zur Einfahrt in den Hafen von Norfolk blieben die Segel so stehen, wir konnten aber keine bahnbrechenden Vorteile erkennen: vielleicht waren wir etwas schneller (1/2 bis 1 kn), dafür mussten wir auf zwei Segel aufpassen, die im Zusammenspiel bei wechselnder Windrichtung deutlich kritischer sind als der gutmütige Parasailor alleine. Wir werden in Zukunft wohl auf den leichten Geschwindigkeitsvorteil verzichten und den Parasailor wieder Solo setzen. Ansonsten hatten wir wieder einen wolkenlosen, traumhaften Segeltag – nicht ganz so warm wie gestern, dafür schneller: wir erreichten die Einfahrt nach Norfolk bereits um 15:30 Uhr und hatten die knapp 80sm in 81/2 Stunden geschafft, einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 9kn!

Alter Leuchtturm vor der Einfahrt in den Hafen von Norfolk

Der Parasailor wurde gerefft unter Groß und Fock ging es in den Hafen hinein. Knapp ging es an einem Schlepperverband vorbei, der Schlangenbewegungen fahrend seine Fahrt verringerte.

Einfahrt in die Bucht von Norfolk, linkerhand kann man schon die Flugzeugträger erkennen

Unser schlangenlinienfahrender Schlepper

Vor dem Raketenkreuzer USS Hugo refften wir die Segel und fuhren dann gemächlich an der US Navy Naval Station Norfolk vorbei, der größten Marine Basis der Welt, Heimathafen für fünf Flugzeugträger, über 30 Kriegsschiffe, neun Schiffe für amphibische Kriegsführung und acht U-Boote. So voll wie es war, schienen sie zum großen Teil zu Hause zu sein! Für Kolja und seinen technikbegeisterten Papa natürlich ein ganz besonderer Moment.

Links liegt die USS George H. W. Bush, rechts daneben die USS Enterprise

Ganz vorne lagen die  über 330m langen Flugzeugträger:  CVN-77 USS George H. W. Bush, der modernste Flugzeugträger nach dem 41.ten Präsidenten benannt und die legendäre CVN-65 USS Enterprise, der erste atomgetriebene Flugzeugträger der Welt.

CVN-77 USS George H. W. Bush

Die Enterprise ist älter als ich (Indienststellung 1961) wird wohl über 50 Jahre im Dienst sein und hat mich  seit meiner Kindheit fasziniert.

CVN-65 USS Enterprise

Dahinter drei amphibische Angriffsträger der Wasp Klasse die mit knapp 260m Länge kaum weniger beeindruckend sind.

Amphibische Angriffsträger der Wasp Klasse

LHD-5 USS Bataan

Weiter folgen Zerstörer, Fregatten, weitere amphibische Landungsschiffe in bedrohlicher Anzahl und Ausmaßen.

Ein Teil der hier stationierten Flotte

Moderner Stealth Trimaran der US Navy

Wir können sie uns ganz friedlich Anschauen und sind beeindruckt von der technischen Leistung. Gleichzeitig erschreckt uns das Bedrohungspotential dieser Streitmacht. Noch mehr entsetzen uns die Kosten die diese Armada verursacht. Zusammen mit den Kindern haben wir ein wenig im Internet recherchiert: der Bau der USS Enterprise mit atomaren Antrieb verschlang solche Unsummen, dass selbst die USA die kommenden Träger aus Kostengründen wieder mit konventionellen Antrieben ausstattete. Allein die letzte Generalüberholung kostet 613.000.000 USD (613Mio $) obwohl sie baldmöglichst (geplant in zwei bis drei Jahren) außer Dienst gestellt werden soll. Der neue Träger ,der sie ersetzen wird, die CVN-78 USS Gerald R. Ford wird inkl. Entwicklung 14.000.000.000 USD (14Billionen $) kosten. Man schätz die Kosten während des Einsatz Zyklus eines Trägers auf durchschnittlich 32.000.000.000 USD (32Billionen $). Und das sind nur die großen Flugzeugträger von denen die USA permanent 11 im Einsatz haben. Dazu kommen all die anderen Kriegsschiffe… ohne weiter diese monströsen Zahlen aufschreiben zu wollen reden wir hier von zig tausend Billionen USD (X.000.000.000.000 $)! Was könnte man mit diesem Geld alles Gutes tun wenn es keinen Krieg gäbe! Nicht auszudenken welche Fortschritte wir damit in der Medizin oder der Armutsbekämpfung erzielen könnten!!!

Direkt hinter dem militärischen Teil beginnt das Container Terminal

Nach diesen eher philosophischen Betrachtungen fuhren wir bei Dunkelheit weiter in den Hafen von Norfolk hinein und ankerten neben dem Krankenhaus direkt gegenüber der 270m langen USS Wisconsin einem Schlachtschiff der Iowa Klasse, den wohl mächtigsten Schlachtschiffen der Welt nach der Japanischen Yamato Klasse. Dies war uns aber erst einmal egal, denn wir mussten zwischen den anderen Segelschiffen unseren sicheren Ankerplatz finden. In der Dunkelheit zwischen den (teilweise unbeleuchteten) kleinen Segelbooten und Bojen und einigen Untiefen am Ankerplatz nicht ganz einfach aber gegen 20:00 Uhr saßen wir vier im warmen Salon am Esstisch zum Abendessen bei frischen Nudeltaschen (mit Kürbis gefüllt)…

Die Skyline von Norfolk in der letzten Abendsonne
Nacht über Norfolk