Heute Morgen sind wir von einem unangenehmen Schwell geweckt worden. Wir hatten beschlossen noch ein, zwei Tage in West End zu bleiben, trotz des schlechten Ankergrundes und der nicht übermäßig schönen Landschaft, da wir günstige Winde aus NW (für Morgen angesagt) abwarten wollten. Für die Schule lernen, Boot aufräumen und putzen können wir überall und ein paar Tage Ruhe um ins “normale Seglerleben” wieder zurückzufinden tun uns auch gut. Vergangene Nacht hat der Wind mit gut 25kn geblasen und der Anker ist nicht geslippt d. h. die Pacific High hat sich nicht bewegt, jetzt wollen wir aber dem unangenehmen Schwell entkommen und verlegen uns durch die flache Riffeinfahrt hinter die Westspitze der Insel. Hier liegen wir sehr malerisch und gut geschützt, aber der wunderschöne Sandboden in 3m Wassertiefe liegt auch hier nur hauchdünn auf der Felsenplatte und bietet unserem Anker kaum besseren Halt. Unser Ankerplatz hat einen Durchmesser von vielleicht 150m, außenrum wird es sehr schnell untief. Wir kommen gut mit der Schule voran, Helena und Kolja kämpfen sich gerade durch Berge von Matheaufgaben als ich gegen Mittag eine massive Wolkenbank erkenne, die sich über den ganzen Horizont erstreckt. Sie kommt aus südlicher Richtung auf uns zu, die Wolken sind nicht wirklich bedrohlich, Farbe weiß bis hellgrau. Den Wetterbericht habe ich erst vor einer guten Stunde überprüft: keine besonderen Vorkommnisse, max. 15kn Wind aus Süd, viel Sonne. Die Wolkenfront schaut mir doch nach etwas Wind und Regen aus, ich rechne mit 30kn Wind und 20 Minuten Regen. Wir machen daher die Pacific High sturmklar: Alles was wegfliegen kann wird gut verstaut, die Bordelektronik wird eingeschaltet und ich stecke vorsichtshalber die Motorschlüssel in die Zündschlösser auf der Fly. Es ist ca. 27 Grad warm, wir sitzen im Salon, ich – dummerweise – nur in Badeshorts die restliche Crew in Shorts und T-Shirt als die Wolkenwand über uns hineinbricht. Die Windanzeige schnellt innerhalb Sekunden von 10kn auf 30kn… dann auf 40kn… und kurz darauf haben wir Böen von über 50kn! Kolja merkt es zuerst: wir slippen und zwar massiv! Kolja läuft mit Anita an den Bug zur Ankerwinsch, Helena springt mit mir die drei Stufen auf die Fly. Blöderweise hatte ich die schützende Abdeckplane über den Instrumenten noch nicht abgenommen um diese vor dem Regen zu schützen. Bei knapp 50kn Wind kein leichtes Unterfangen , wir können sie nicht aus der Führungsschiene ziehen. Die Zeit wir knapp, wir driften laut GPS mit 2kn auf die Felsen zu. Helena reagiert ganz toll: “Papa, ich mach das!” brüllt sie und setzt sich einfach vor mich auf die Plane und schafft es auch die Abdeckkappen von den Instrumenten zu reissen und festzuhalten. Derweil habe ich die Motoren gestartet und gebe Vollgas… es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis die Pacific High nicht mehr rückwärts slippt sondern sich langsam gegen Wind und Welle durchsetzt und wir knapp den Felsen entkommen. Derweil haben Anita und Kolja angefangen den Anker einzuholen, was bei dem Unwetter ein fast unmögliches Unterfangen darstellt. Die Pacific High tanzt an der Ankerkette, der Wind drückt uns mit einer solchen Macht entweder nach Back- oder Steuerbord, selbst unter voller Kraft beider Maschinen und hartem Ruderausschlag komme ich kaum gegenan. Der Regen peitscht horizontal gegen das Deck und unsere Körper. Die dicken fetten Tropfen fühlen sich an wie Hagelgeschosse – besonders wenn man so dumm ist und nur eine Shorts an hat! Anita und Kolja schaffen es irgendwie den Anker hochzubekommen, aber jetzt wird die Pacific High noch mehr zum Spielball des Windes und der Wellen. Wir laufen immer Gefahr aus dem tiefen Wasser auf die flache Felsbank gedrückt zu werden. Es vergeht eine gute Stunde und der Wind läßt nicht nach. Uns allen ist kalt und durch den harten Regen die Haut ganz rot geworden. Helena und Kolja konnten wir wenigstens in den Salon schicken, Anita und ich motorten weiter gegen den Sturm an. Nach einem vergeblichen Versuch den Anker, zumindest als Unterstützung, noch einmal auszubringen beschließe ich durch die Riffausfahrt zu fahren um wenigstens mehr Abstand zu den Felsen zu gewinnen. Wir fahren Vollgas, beide Motoren 3200 U/min und kommen kaum gegen die 3m hohen steilen Wellenkämme an die sich am Riff brechen. Anita achtet auf die Tiefe und gibt mir die Richtung an in die ich steuern muß. Wir schaffen es durch die Riffausfahrt und haben die Gefahren der Untiefen hinter uns gelassen, dafür liegen wir jetzt völlig ungeschützt in der offenen Bucht. Die Hafeneinfahrt ist schmal, weniger als doppelt so breit wie die Pacific High und auch hier brechen sich die Wellen, aber das Vor- Hafenbecken schaut verlockend ruhig aus. Ich kenne die Einfahrt da ich hier vor drei Tagen mit dem Dinghy durchgefahren bin. Mit dem Schwung von Wind und Welle, die wir jetzt im Rücken haben und halber Fahrt von beiden Motoren rauschen wir durch die Einfahrt… und liegen in glattem Wasser! Der Wind pfeifft zwar immer unverändert mit gut 40kn aber die steilen Wellen sind weg. Anita und die Kinder machen die Pacific High klar zum anlegen, bringen alle Fender und ausreichend Leinen aus. Ich motore noch eine Weile gegen den Wind an bis dieser sich eine kleine Verschnaufpause von nur 30kn gönnt. Jetzt aber schnell an den Aussensteg für Gäste (für die eigentlichen Stege der Marina ist die Pacific High zu groß). Es ist gerade noch ein Plätzchen frei für uns und Dank der Mithilfe einiger anderer Segler liegen wir bald darauf fest vertäut am Steg. Nach 2 1/2 Stunden sind wir durchgekühlt und müde, aber auch überglücklich dieses Abenteuer so gut miteinander überstanden zu haben! Jetzt heißt es schnell abtrocknen und warme Kleider anziehen während Helena und Kolja uns heissen Kaffee und Tee zubereiten!
Leider hatten nicht alle so ein Glück wie wir während diesem Unwetter: kurz nach uns kamen zwei Segler mit zerfetzten Segeln in den Hafen und ein weiterer mit massiven Schäden am Heck…

Gegen Abend flaute der Wind dann ab und offenbarte uns dieses wunderschöne Abendrot…